Kryptotoken sind nach wie vor eine junge Assetklasse. Der Zeitstrahl ihres Aufstiegs lässt sich dabei grob wie folgt skizzieren: In den Jahren 2008 (der Publikation des White Papers zu Bitcoin) bis 2012 waren Kryptowährungen nur wenigen Computernerds ein Begriff. In den Jahren 2013 bis 2016 kamen sie langsam, aber stetig im (medialen) Mainstream an. Spätestens seit dem Explodieren der Kurse 2017 gab es kaum mehr einen Assetmanager, Fondsmanager, Rechtsanwalt oder Steuerberater, der beim Thema nicht zumindest mitreden wollte. 2018 ist nun eine weitere Stimme im Kryptochor aufgetaucht, die 2019 noch lauter werden dürfte: die der deutschen Gerichte.
Kryptowährungen spielten in der deutschen Rechtsprechung bislang vereinzelt in Strafprozessen eine Rolle. So hatte der Bundesgerichtshof (BGH) am 27.07.2017 (Az.: 1 StR 412/16) einen Fall entschieden, bei dem der Delinquent mithilfe eines Botnetzes Daten ausspähen und Bitcoins generieren wollte. Zudem kommen Kryptowährungen gelegentlich als Zahlungsmittel für illegale Produkte in Gerichtsentscheidungen vor (siehe z.B. BGH vom 06.06.2018, Az.: 4 StR 569/17).
Die erste wesentliche Entscheidung zur Behandlung von Kryptowährungen im deutschen Wirtschaftsrecht kam jedoch nicht aus Deutschland, sondern aus Luxemburg. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am 22.10.2015 (Az.: C-264/14), dass die Übertragung von Kryptowährungen umsatzsteuerlich nicht anders zu behandeln ist als die Übertragung von sonstigen Zahlungsmitteln. Dem Fall lag ein Sachverhalt aus Schweden zugrunde. Die Entscheidung entfaltete aufgrund des einheitlichen Mehrwertsteuerrechts in der EU jedoch ebenso Wirkung für Deutschland. Nun scheinen auch bei den deutschen Gerichten die für die rechtstreue Masse der Kryptoinvestoren interessanten Fragen des Aufsichts- und Steuerrechts anzukommen.
Bitcoin keine Rechnungseinheit nach Kreditwesengesetz?
Kurioserweise war ein Strafverfahren Anlass dafür, dass das Kammergericht Berlin (KG) sich am 25.09.2018 (Az.: (4) 161 Ss 28/18 (35/18)) das erste Mal zu der aufsichtsrechtlichen Frage äußerte, ob Bitcoins Finanzinstrumente in Form von sogenannten Rechnungseinheiten (= mit Devisen vergleichbare Einheiten, die nicht auf gesetzliche Zahlungsmittel lauten) darstellen, wie dies die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bereits seit einigen Jahren vertritt. Folge einer solchen Einschätzung wäre, dass entsprechende Finanzdienstleistungen (z.B. der Betrieb einer Handelsplattform rund um Bitcoin) einer Erlaubnispflicht unterliegen und die Erbringung von derartigen Finanzdienstleistungen ohne Erlaubnis eine strafrechtliche Sanktionierung mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe nach sich ziehen würde. Das KG hat nunmehr rechtskräftig entschieden, dass Bitcoins entgegen der Auffassung der BaFin keine Finanzinstrumente und insbesondere keine Rechnungseinheiten seien. Dafür fehle es den Bitcoins vor allem an der Vergleichbarkeit mit Devisen, da der Bitcoin (i) kein allgemein anerkanntes Zahlungsmittel sei, (ii) nicht wertbeständig sei und (iii) es keinen zentralen Emittenten gebe. Darüber hinaus „verkennt sie [die BaFin], dass es nicht Aufgabe der Bundesbehörden ist, rechtsgestaltend (insbesondere) in Strafgesetze einzugreifen“.
Strafrecht vs. Aufsichtsrecht
Wurde dieses Urteil kurz nach seiner Veröffentlichung noch als Freifahrtschein für die erlaubnisfreie Erbringung von Finanzdienstleistungen rund um den Bitcoin bejubelt, folgte die Ernüchterung prompt auf dem Fuße: Da es sich um ein Strafurteil und nicht um ein Urteil eines Verwaltungsgerichts handelt, ist die Auffassung des KG für die BaFin nicht bindend.
Entsprechend stellte die BaFin zügig klar, dass es nach ihrer Auffassung im Aufsichtsrecht einer weiteren Auslegung des Begriffs der Rechnungseinheiten bedürfe als im Strafrecht, sodass nach der Verwaltungspraxis der BaFin aufsichtsrechtlich weiterhin eine Erlaubnis für die Erbringung von Finanzdienstleistungen rund um den Bitcoin verlangt werde. Folge dieses Meinungsstreits ist, dass bei Erbringung von entsprechenden Finanzdienstleistungen ohne Erlaubnis (zumindest in Berlin) keine strafrechtlichen, wohl aber verwaltungsrechtliche Sanktionen zu erwarten sind. Mit Spannung wird daher erwartet, wann es das erste Mal zu einem verwaltungsrechtlichen Urteil in Fragen der aufsichtsrechtlichen Einordnung von Kryptotoken wie dem Bitcoin kommt.
Erste Stimmen der Finanzgerichte
Von der eingangs erwähnten Entscheidung des EuGH abgesehen, gibt es bisher keine (veröffentlichte) Entscheidung deutscher Finanzgerichte (FGs) zur steuerlichen Behandlung von Kryptotoken. Es ist zu erwarten, dass sich das ändert, sobald streitige Fälle für den im Kryptomarkt ertragreichen Veranlagungszeitraum 2017 die Einspruchsverfahren bei den Finanzämtern durchlaufen haben und den Gerichten vorgelegt werden.
Dennoch bestehen Anhaltspunkte, dass einige deutsche Finanzrichter dem Thema bereits Aufmerksamkeit widmen. Ein Beispiel bildet ein Urteil des FG Baden-Württemberg vom 02.03.2018 (Az.: 5 K 2508/17). Der vom FG zu entscheidende Fall behandelte zwar eigentlich die Besteuerung des Gewinns aus dem Verkauf von kontingentierten Champions League-Finaltickets. Die Richter haben es sich gleichwohl nicht nehmen lassen, ihre Gedanken zur Besteuerung von Kryptowährungen anzudeuten. Im zu entscheidenden Fall ging das Finanzamt davon aus, dass die – nicht gewerbliche – Veräußerung von Champions League-Finaltickets, die innerhalb eines Jahres angeschafft und mit Gewinn veräußert werden, zu den sogenannten Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften gehört (§ 23 EStG). Ebenjene Vorschrift wird von den Finanzämtern in ersten Praxiserfahrungen sowie im steuerlichen Fachschrifttum auch für die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Kryptotoken herangezogen.
Knackpunkt strukturelles Vollzugsdefizit
Das FG kam indes zu der Auffassung, dass es sich bei Champions-League-Finaltickets nicht um Wirtschaftsgüter handelt, die der Besteuerung nach § 23 EStG unterliegen. Dabei ist einer der angeführten Gründe für den vorliegenden Zusammenhang herauszustellen: Die Richter argumentierten, dass eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift gebiete, nur solche Vorgänge allgemein der Besteuerung zu unterwerfen, bei denen eine Besteuerung praktisch auch tatsächlich sichergestellt werden kann. Bestünde hingegen ein sogenanntes strukturelles Vollzugsdefizit, sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Besteuerung nicht vorzunehmen.
So liege es nach Ansicht der Richter bei Champions League-Finaltickets, deren Veräußerungswege auf dem Schwarzmarkt strukturell nicht nachvollzogen werden könnten. Am Ende führten die Richter in einem nicht entscheidungserheblichen Nebensatz (sogenanntes Obiter Dictum; lateinisch etwa: nebenbei Gesagtes) aus, dass „im Hinblick auf ein strukturelles Vollzugsdefizit“ Spekulationsgeschäfte mit Kryptowährungen „gegebenenfalls ähnlich zu beurteilen“ seien wie der Verkauf der Finaltickets.
Setzt sich diese Auffassung bei den Gerichten durch, könnte die Spekulation mit Kryptotoken, wenn sie vermögensverwaltend bleibt und keinen gewerblichen Umfang erreicht, bis zu einer Klarstellung durch den Gesetzgeber steuerfrei bleiben. Die weitere Rechtsprechungsentwicklung sollte hier aufmerksam beobachtet werden.
Fazit
Kryptotoken sind mittlerweile der breiten Masse der Gesellschaft ein Begriff. Es verwundert daher nicht, dass auch die Gerichte sich diesem Thema immer mehr annehmen (müssen). Wie die Vielzahl der offenen rechtlichen Fragen beantwortet werden wird, lässt sich dabei jedoch nur schwerlich absehen und bedarf einer aufmerksamen Beobachtung. In jedem Fall gibt es aber Grund zur Hoffnung, dass wenigstens für einige Bereiche im Umgang mit Kryptotoken in den nächsten Jahren durch Gerichtsurteile die (lang ersehnte) Rechtssicherheit geschaffen wird.
Dieser Beitrag erschien erstmals in: VentureCapital Magazin 1/2-2019, S.42/43
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