Waren die Jahre in und nach der jüngsten Finanzkrise noch von rigiden Verkäufergewährleistungskatalogen, hohen Haftungsgrenzen und Kaufpreiseinbehalten geprägt, ist schon seit Jahren ein Absinken der Haftungsgrenzen und Einbehalte zu beobachten. Verkäuferdarlehensfinanzierungen bleiben zunehmend Sondersituationen vorbehalten. Übliche Verjährungsfristen für operative Gewährleistungen haben sich von vormals über zwei Jahren in Richtung zwölf Monate bewegt; nach wie vor werden Käufer aber darauf bestehen, mindestens einen Jahresabschluss des Zielunternehmens in eigener Regie zu erstellen, bevor die Verjährung der Garantieansprüche eintritt.
Kaufpreisformeln mit Stichtagsabschluss und Kaufpreisanpassungen im Hinblick auf Liquiditäts- und Verschuldungsstand zum Vollzugstag sind weitgehend sogenannten Locked Box-Gestaltungen gewichen, das heißt Fixkaufpreisen, die auf einen zurückliegenden Bilanzstichtag berechnet und von diesem an mit einer rechnerischen Verzinsung (sogenannter Locked Box-Zins) versehen werden.
Kaufverträge werden einfacher und kürzer
All diese Entwicklungen haben tendenziell zu einer Vereinfachung und Verkürzung von Unternehmenskaufverträgen geführt. Standardisierung und zunehmende Professionalität (auch von Inhouse-Juristen und mittelständischen Anwaltskanzleien) tun ein Übriges, um Verhandlungsprozesse weiter zu verkürzen.
Transaktionen, bei denen sich die juristischen Verhandlungen auf ein anwaltliches Sondierungsgespräch während des Bieterverfahrens, den Austausch von zwei oder drei kommentierten Kaufvertragsversionen und nur noch eine oder zwei physische Verhandlungsrunden beschränken, sind im aktuellen Marktumfeld keine Seltenheit.
Marktstandards bei Compliance und Datenschutz
Gegen den allgemeinen Trend einer Vereinfachung von Unternehmenskaufverträgen haben zunehmend detaillierte Klauseln zu Compliance und Datenschutz Eingang in die Vertragswerke gefunden. Für Compliance-Garantien haben sich strenge Marktstandards durchgesetzt, die insbesondere von angelsächsischen Investoren auf der Käuferseite häufig als nicht verhandelbar dargestellt werden. Datenschutzthemen dürften, insbesondere nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung im Mai dieses Jahres, künftig noch größere Bedeutung in Unternehmenskaufverträgen erhalten, spielen aber auch zunehmend eine Rolle bei der Gestaltung von Due Diligence-Prozessen.
Der Einfluss von W&I-Versicherungen
Ein zunehmendes Angebot an Gewährleistungsversicherungen (Warranty and Indemnity Insurance) hat wesentlich zur Entschärfung vieler Verhandlungssituationen zwischen Verkäufern und Käufern beigetragen, meint man doch, damit Garantierisiken weitgehend bei einem Dritten, nämlich der Versicherung, abladen zu können. Starker Wettbewerb unter den Versicherern führt dazu, dass W&I-Versicherungen im deutschen Markt vergleichsweise günstig (mit Prämien im Bereich zwischen 1% und 2% des versicherten Volumens) erhältlich sind; auch die Zeitdauer bis zur Ausstellung der Police hat sich im aktuellen Wettbewerbsumfeld wesentlich verkürzt. Ob dies ein Zeichen zunehmender Professionalisierung oder, wie manche Beobachter meinen, von Überhitzung des W&I-Versicherungsmarktes ist, wird sich noch zeigen.
Versicherungslösungen führen, soweit Risiken auf die Versicherung abgewälzt werden, naturgemäß zu einer Verringerung der Verhandlungsintensität zwischen Käufer und Verkäufer über den Garantiekatalog, haben aber auf den Vertragswortlaut als solchen nur geringe Auswirkungen. Auch in versicherten Deals wird ein marktüblicher Katalog von Verkäufergarantien vereinbart, der dann die Basis für die (meist zwischen Käufer und Versicherer abgeschlossene) Police bildet.
Lediglich in der Rechtsfolgenklausel des Kaufvertrages ergeben sich wesentliche Veränderungen: Dort wird vereinbart, dass die Haftung der Verkäufer zwar dem Grunde nach besteht, der Höhe nach aber auf einen Minimalbetrag begrenzt wird (der häufig dem Selbstbehalt der Versicherungspolice entspricht). Eine möglichst hohe Eigenhaftung der Verkäufer dient den Käufern an sich als Lackmustest für die Zuverlässigkeit der Verkäuferzusicherungen; gleichwohl finden sich nicht selten Unternehmenskaufverträge, in denen die Eigenhaftung der Verkäufer sogar bis auf null reduziert wird. Ob dies dauerhaft im Markt Bestand hat, wird sich zeigen. Viele Beobachter vermuten, dass künftig vermehrte Schadensfälle zu intensiveren Verhandlungen zwischen Käufern und Versicherern führen dürften.
Vorsicht bei der Abgabe von Garantien
Versuchungen von Käufer und Verkäufer, schnelle Einigungen zulasten der Versicherer zu treffen, finden in zweifacher Hinsicht ihre Grenzen: Zum einen schließt der Versicherer nach Durchsicht der käuferseitigen Due Diligence-Berichte im Regelfall die Haftung für bekannte Sachverhalte aus (oder fordert hierfür, wie z.B. bei der Versicherung identifizierter Steuerrisiken, höhere Prämien), zum anderen ist es dem Verkäufer nach deutschem Recht nicht möglich, die Eigenhaftung für vorsätzlich falsch abgegebene Zusicherungen auszuschließen.
Im klassischen Unternehmenskaufvertrag spielt die Unterscheidung zwischen vorsätzlich und fahrlässig falsch abgegebenen Gewährleistungen kaum eine Rolle, da diese rechtlich meist verschuldensunabhängig sind; im Rahmen von Versicherungslösungen hat die Vorsatz frage dagegen verschärfte Auswirkungen, sodass Verkäufern dringend abzuraten ist, im Vertrauen auf den Ausschluss der Eigenhaftung Garantien „ins Blaue hinein“ abzugeben.
Fazit
Die derzeitige verkäuferfreundliche Marktsituation spiegelt sich auch in aktuellen Vertragsstandards zu Kaufpreis- und Garantieregelungen wider. Tendenziell führt dies zu stärker standardisierten und weniger umfangreichen Kaufvertragstexten. Datenschutz- und Compliance-Klauseln haben in jüngster Zeit verstärkte Bedeutung in Unternehmenskaufverträgen erlangt. Gewährleistungsversicherungen erleichtern Käufer und Verkäufer die Einigung über Garantiekataloge, führen aber zu neuen Gestaltungsaufgaben.
Dieser Beitrag erschien erstmals in: VentureCapital-Magazin 07-2018, S. 30/31