
Die Reform der Grundsteuer setzte sowohl Bund als auch Länder seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 2018 unter Druck. Bis zum 31. Dezember 2019 war ein Konsens über die Neuregelung dieses Rechtsbereichs zu erzielen. Die 72. Berliner Steuergespräche beleuchteten die Herausforderungen dieser Reform eingehend.
Der Deutsche Bundestag hat am Freitag, 18. Oktober 2019, für das von der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen eingebrachte Gesetzespaket zur Reform der Grundsteuer gestimmt. Der enthaltene Entwurf der Grundgesetzänderung bezüglich der Artikel 72, 105 und 125b GG erzielte die benötigte Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten. Damit hat der Bundestag den Weg für eine Umsetzung eines umfassend neuen Systems der Grundsteuererhebung geebnet.
Mit seinem Urteil vom 10. April 2018 hat das Bundesverfassungsgericht die Einheitsbewertung zur Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet, spätestens bis zum 31. Dezember 2019 eine Neuregelung zu treffen. Die Umsetzungsfrist für die Reform der Grundsteuer läuft bis zum 31. Dezember 2024.
Noch vor der Abstimmung im Bundestag war die Reform der Grundsteuer bereits Thema der 72. Berliner Steuergespräche. Diese Veranstaltung bot unter der Moderation von Dr. Monika Wünnemann (Leiterin Abteilung Steuern und Finanzpolitik, Bundesverband der Deutschen Industrie) ein Forum zum Austausch über die Zukunft der Grundsteuer, die Vor- und Nachteile der diskutierten Reformmodelle sowie die Gründe für die Schwierigkeiten bei einer fristgerechten Konsensfindung. An der Veranstaltung nahmen zudem die Referenten Volker Freund (Leiter Steuerabteilung, Bayerisches Staatsministerium für Finanzen und für Heimat), Prof. Dr. Roman Seer (Professor für Steuerrecht, Ruhr-Universität Bochum), Verena Göppert (Leiterin Dezernat Finanzen, Deutscher Städtetag), Dr. Stefan Breinersdorfer (Leiter Steuerabteilung, Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz), Prof. Dr. Wolfram Scheffler (Professor für Betriebswirtschafts- und Steuerlehre, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) und Andreas Schmitt (Leiter Tax Compliance, BASF SE) teil.
Volker Freund stellte in seinem Vortrag die Reformbemühungen in Form des Gesetzespakets vor. Das politische Ziel des Grundsteuerreformgesetzes sei die Sicherung des bisherigen Grundsteueraufkommens ohne dieses zu erhöhen. Dies erfolge durch eine Erhaltung des Bewertungs- und Grundsteuerrechts in seiner Grundstruktur sowie die Fortentwicklung der Materie unter den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Die Hauptfeststellung solle nicht mehr alle 50 Jahre, sondern alle sieben Jahre stattfinden. Die erstmalige Durchführung sei für den 1. Januar 2022 vorgesehen. Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung werde von den kommunalen Spitzenverbänden sehr begehrt. Durch den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes solle die Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers für die Grundsteuer abgesichert werden. Darüber hinaus enthalte der Entwurf eine viel diskutierte Länderöffnungs-klausel. Durch eine Ergänzung des Art. 125b GG solle eine abweichende Landesregelung frühestens für Zeiträume ab dem 1. Januar 2025 zugrunde gelegt werden.
Prof. Dr. Seer bot in seinem Vortrag einen wissenschaftlich geprägten Einblick in die Reform der Grundsteuer. Er begann mit einem Rückblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 2018. Im Bereich des materiellen Rechts kritisierte der Referent die Regelung der Bodenrichtwerte sowie die Anknüpfung an kommunalbezogene Nettokaltmieten. Prof. Seer stellte die These auf, dass ein Sachwertverfahren zumindest dort, wo Ertragswerte normalerweise nach der Immobilienwertverordnung ansetzen würden, strukturell den Verkehrswertansatz verfehle. Es sei auch selbst bei den vereinfachten Regeln aufgrund des enormen Verwaltungsaufwands zweifelhaft, ob der Gesetzgeber und die Verwaltung in der Lage seien, alle sieben Jahre 36 Millionen Immobilien neu zu bewerten. Aus den Drucksachen des Bundestages sei auch wenig Konkretes ersichtlich, wie diese Herausforderung gemeistert werden solle. Als abschließende These formulierte Prof. Seer, dass eine Bodenwertsteuer noch am ehesten praktikabel wäre und dem Äquivalenzprinzip entspreche.
Auf die Vorträge der Referenten folgte eine Podiumsdiskussion. Die Podiumsteilnehmer äußerten sich grundsätzlich zuversichtlich im Hinblick auf eine Einigung über ein neues Grundsteuergesetz bis Ende des Jahres. Man hoffe vor allem auf eine Regelung, welche einer erneuten Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht standhalte. Eine Herausforderung stelle die Umsetzung der Reform durch die Verwaltung dar. An dieser Stelle gäbe es noch offene Fragen bezüglich der Vorgehensweise sowie der benötigten und zur Verfügung stehenden Kapazitäten.
Seit dem Frühjahr 2002 veranstalten der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Kanzlei P+P Pöllath + Partners die „Berliner Steuergespräche“. Diese vierteljährlich stattfindenden Gespräche dienen als Forum für alle, die sich in der Hauptstadt in ihrer täglichen beruflichen Arbeit mit steuerrechtlichen und steuerpolitischen Fragen auseinandersetzen. Die nächsten Berliner Steuergespräche finden am Montag, 9. Dezember 2019 um 17. 30 Uhr im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin statt und beschäftigen sich mit der „Reform des Außensteuerrechts“.
Ausführliche Tagungsberichte sowie weiterführende Unterlagen und Präsentationen finden Sie jeweils auch im Archiv der Webseite der Berliner Steuergespräche.