
Die Suche nach Investoren und Kreditgebern ist für Unternehmen aller Größen wichtig – und leider nicht immer ganz einfach. Der Grund: Das Einsammeln von zusätzlichem Eigenkapital durch neue oder bestehende Investoren kostet die Unternehmen weitere Unternehmensanteile. Kredite werden hingegen oft nach dem Cash-Flow bemessen, der bei Start-ups keine geeignete Kennzahl ist. Damit sind klassische Finanzierungsformen bei stark wachsenden Unternehmen oftmals wenig geeignet. Diese Finanzierungslücke kann Venture Debt schließen.
Unternehmen, die sich bisher über Eigenkapitalgeber finanziert haben und nun die Anteilseignerstruktur nicht weiter verwässern wollen, können auf das Konzept von Venture Debt zurückgreifen. Dieses Finanzierungsmodell erfordert die Fähigkeit des Kreditnehmers, zusätzliches Kapital zur Finanzierung des Wachstums und zur Rückzahlung der Schulden aufzubringen. Dabei wird nicht auf den historischen Cash-Flow oder das Betriebskapital als Rückzahlungsquelle abgestellt. Eine Venture-Debt-Finanzierung wird daher in den allermeisten Fällen mit einer traditionellen Eigenkapitalrunde synchronisiert oder in engem zeitlichen Rahmen nach dieser abgeschlossen. Oft laufen beide Prozesse recht kurz nacheinander ab – zwischen den Abschlüssen liegen oft nur wenige Wochen oder Monate.
Vorteile von Venture Debt
Die Vorteile eines solchen Vorgehens liegen auf der Hand: Die durchschnittlichen Kapitalkosten sinken und liefern somit einen weiteren guten Grund für den Kredit. Das zur Verfügung gestellte Venture-Debt-Kapital gibt Unternehmen dadurch vor allem ein Extra an Flexibilität und verlängert so die Wirkung des eingesammelten Eigenkapitals. Vor allem junge Wachstumsunternehmen verschaffen sich durch ein derartiges Vorgehen noch weiteren Spielraum für Expansion und Innovation. Aber nicht nur diese profitieren: Venture Debt gibt Unternehmen – neben der finanziellen Absicherung – Stabilität auf vielen Ebenen: Das zusätzliche Kapital ermöglicht die Erweiterung des Teams sowie die Weiterentwicklung des Produktes und steigert somit die Innovationskraft des Unternehmens.
Aus der Sicht der Eigenkapitalgeber ist das zusätzlich zur Verfügung stehende Kapital ebenfalls ein positives Zeichen: Für sie nimmt damit die Liquidität des Portfoliounternehmens zu, die Unternehmensdynamik gewinnt nochmals an Fahrt und die Reputation der Eigenkapitalgeber steigt. Gleichzeitig kann das Venture-Debt-Kapital als Absicherung gegen Performance-Einbrüche oder Bewertungshürden genutzt werden.
Für wen eignet sich Venture Debt?
Typische Venture-Debt-Kreditnehmer sind zumeist schnell wachsende Jungunternehmen, die bereits Kapital von institutionellen Risikokapitalgesellschaften (VC-Fonds) eingesammelt haben. Regelmäßig erarbeiten diese Wachstumsunternehmen im Zuge der ersten Finanzierung eine klare Strategie für die weitere Kapitalbeschaffung, die auch Finanzierungsformen miteinschließt, bei denen keine weiteren Anteile veräußert werden müssen. Im Idealfall steht ein solches Wachstumsunternehmen nicht mehr ganz am Anfang der Gründungsphase, sondern hat schon mindestens eine große Series-A-Finanzierungsrunde bzw. mehrere kleinere Finanzierungsrunden abgeschlossen. Ein etwaiger Richtwert der Finanzierungsgröße, die das Unternehmen bereits eingesammelt haben sollte, liegt bei etwa fünf Millionen Euro.
Irrelevant ist dabei, in welcher Branche das kreditnehmende Unternehmen tätig ist. Das Geschäftsmodell sollte sich allerdings bereits als robust und skalierbar erwiesen haben. Insbesondere das Managementteam sollte erfahren sein und darüber hinaus eine klare Vision für das Unternehmen und dessen weitere Schritte aufzeigen können. Weiterhin sollten der Umsatz und Kundenstamm ein nachhaltiges Wachstum aufweisen. Welche der genannten Kriterien im Zuge des Kreditabschlusses welche Gewichtung erhalten, hängt mit dem jeweiligen Unternehmen, der benötigten Summe und der aktuellen Situation zusammen. Als Faustregel gilt: Die Höhe des Risikokredits richtet sich im Allgemeinen nach der Höhe der Eigenkapitalrunde und der aktuellen und prognostizierten Cash-Burn-Rate.
Fazit
Auf den ersten Blick mag es überraschend erscheinen, eben dann Risikoschulden aufzunehmen, wenn das Unternehmen sowieso gerade neues Kapital eingesammelt hat. Unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt das Darlehen finanziert werden soll, sind die Bonität und der Verhandlungsspielraum des kreditnehmenden Unternehmens unmittelbar nach dem Schließen des neuen Eigenkapitals jedoch am höchsten. Für alle Beteiligten bietet Venture Debt also eine Vielzahl an Vorteilen, die gerade bei besonders starken Wachstums- und Innovationsplänen zum Tragen kommen.
Unser Gastautor Oscar Jazdowski ist General Manager der Silicon Valley Bank Deutschland. Er verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Finanzierung von Technologieunternehmen in allen Phasen der Entwicklung, von jungen Start-ups bis hin zu großen multinationalen Unternehmen.
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