Bis 2015 fiel die gewerbsmäßige Darlehensvergabe in Deutschland unter den Begriff des „Bank- bzw. Kreditgeschäfts“ und war ausschließlich Banken innerhalb des regulatorischen Rahmens des Kreditwesengesetzes (KWG) vorbehalten. Keine Banklizenz erforderten unter diesem Regelungsregime lediglich die Vergabe von Gesellschafterdarlehen, Darlehen unter Vereinbarung eines qualifizierten Rangrücktritts sowie der reine Kauf eines bereits ausgereichten Darlehens. Deshalb bedienten sich Fonds regelmäßig sog. „Fronting Banken“ , die Darlehen an Portfoliounternehmen vergeben und die Darlehensforderungen sodann an den Fonds veräußern.
Inzwischen sieht der europäische Rechtsrahmen Möglichkeiten der Darlehensvergabe durch Fonds vor. So werden Darlehen als zulässige Vermögensgegenstände in den Verordnungen über EuVECA, EuSEF und ELTIF genannt. Auch die ESMA erarbeitete ein Diskussionspapier zu den Mindestanforderungen an sog. „loan originating AIF“. Zudem sehen nationale Regelungen oder bestehende Verwaltungspraktiken einiger EU-Mitgliedsstaaten bereits eine Darlehensvergabe durch Fonds vor.
BaFin nimmt sich Neuregelungen zur Darlehensvergabe an
Die BaFin änderte mit Schreiben vom 12.05.2015 ihre Verwaltungspraxis in Anpassung an die Regelungen auf EU-Ebene dahingehend, dass die Darlehensvergabe durch Fonds fortan als Bestandteil der kollektiven Vermögensverwaltung durch den Fondsmanager betrachtet wird. Damit unterliegt sie der Investmentaufsicht des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) und nicht mehr der Bankenaufsicht des KWG. Im Rahmen des OGAW-V-Umsetzungsgesetzes wurde daraufhin das KAGB novelliert und um eine umfassende Regulierung der Darlehensvergabe durch Alternative Investmentfonds (AIF) ergänzt. Diese Beschränkungen seien nach Ansicht von Uwe Wewel (P+P Pöllath + Partners) auch nötig, denn mit der Zulässigkeit der Darlehensvergabe durch Fonds wurde ein „Konkurrenzprodukt“ zu den klassischen Bankdarlehen geschaffen. So ist die Darlehensvergabe aus Gründen des Anlegerschutzes und Risikomanagements auf geschlossene Spezial-AIF begrenzt und mit bestimmten Pflichten verbunden. Diese Pflichten treffen sowohl voll regulierte als auch nur registrierte „kleine“ Kapitalverwaltungsgesellschaften. Offene Fonds können hingegen nach wie vor lediglich Darlehensforderungen erwerben – vorbehaltlich der sog. „PE-Ausnahmen“ für Gesellschafterdarlehen bei bestehenden Beteiligungen und bei Immobilienfonds.
Sowohl die AIFM-Richtlinie als auch das KAGB als nationales Umsetzungsgesetz verlangen für die Darlehensvergabe u.a. ein angemessenes Risiko- und Liquiditätsmanagement. Die Anforderungen an das Risikomanagement von Gelddarlehen gewährender AIF wurden von der BaFin mit Rundschreiben vom 10.01.2017 konkretisiert (Mindestanforderungen an das Risikomanagement von Kapitalverwaltungsgesellschaften – „KAMaRisk“). Mit der KAMaRisk werden klassische Bankprozesse in die KVGen implementiert. Aufgrund der derartigen Regulierung werden die Debt Fonds teilweise kritisch als „Banken ohne Lizenz“ mit „Kreditabteilungen in den KVGen“ bezeichnet. Die KAMaRisk enthält besondere Anforderungen an die Aufbau- und Ablauforganisation und sieht Prozesse für die Kreditgewährung, Kreditweiterbearbeitung sowie zur Intensivbetreuung und Behandlung von Problemkrediten vor. Umgesetzt werden die Anforderungen der KAMaRisk in der Praxis durch eine Verknüpfung und Zusammenarbeit zwischen dem Risiko- und dem Portfoliomanagement. Dabei erweisen sich weniger die Implementierung der Prozesse zur Kreditverarbeitung und -überwachung als problematisch. Denn sie sind bereits aus dem Umgang mit Immobilienfonds bekannt. Problematisch sind vielmehr die Einrichtung der Prozesse zur Intensivbetreuung und der Umgang mit Problemkrediten, sowie die Frage, wer diese Aufgaben in der KVG übernehmen soll. „Die europäischen Vorgaben zur Debt Fund Manager-Regulierung wurden insbesondere in Deutschland und Österreich strenger umgesetzt“, so Uwe Wewel.
Diese Schlussfolgerung zieht auch Nicole Schadeck (PwC Luxemburg) im Vergleich zu dem regulatorischen Rahmen von Debt Fonds in Luxemburg, der geringere Anforderungen an die Darlehensvergabe stellt. Ob dies für Deutschland ein Standort-Nachteil bei dem Auflegen von Debt Fonds ist, ließ sie jedoch offen. Denn auch in Luxemburg würde die KAMaRisk als Guidance für den Aufbau des Risikomanagements herangezogen. P+P-Jurist Wewel bezeichnete jedoch eine einheitliche europäische (Produkt-)Regelung auch für Alternative Investmentfonds als wünschenswertes Ziel.
Wirtschaftliche Aspekte und Venture Debt Terms
Während Deutschland in der Debt Fonds Entwicklung aufgrund der regulatorischen Hürden etwas hinterher hinkt, wird in anderen Ländern, bspw. im Vereinigten Königreich, schon länger im Bereich der Debt Finanzierung operiert. Maurizio Petit Bon, General Partner bei Kreos Capital, sprach im Rahmen der Veranstaltung allerdings auch von einem wachsenden deutschen Markt, in dem Venture Debt immer mehr in den Fokus der Manager als Teil der Unternehmensfinanzierung gerät. „Now it is on the menue and part of the range of instruments that every Start-up will consider.“
Vor einigen Jahren sei Venture Debt als Unterform der Debt Finanzierung noch nicht derart im Bewusstsein der Manager gewesen, aber mittlerweile habe der Markt das Instrument für sich entdeckt. Es sei damit zu rechnen, so Petit Bon, dass Venture Debt bis zu 10 % des Equity Marktes ausmachen kann und wird. Dabei sei Venture Debt nicht als eigenständige Finanzierungsform zu verstehen, sondern vielmehr als „complement to equity with many shapes”.
So empfiehlt sich eine Finanzierung mit Venture Debt im Zusammenhang mit bzw. maximal ein Jahr nach einer Series A- oder Series B-Finanzierungsrunde. In diesem Stadium sind die meisten Start-up-Unternehmen noch nicht „bankable“, d.h. unter den klassischen Gesichtspunkten der Fremdkapitalfinanzierung nicht kreditwürdig. Start-ups verfügen in dieser Wachstumsphase meist über kaum besicherbares Vermögen und können oft noch keinen positiven Cash Flow verzeichnen. Da die Inanspruchnahme von Eigenkapital für die Unternehmen jedoch mit hohen Kosten und Kontrollverlust einhergeht, schließt Venture Debt diese Finanzierungslücke und öffnet jungen Unternehmen die Tür zum Fremdkapitalmarkt. Zugleich wird damit die Kapitalausstattung eines jungen Unternehmens und deren Entscheidungsfreiheit gesichert – trotz „Cash Burn“, so Craig W. Netterfield, Managing Partner des Londoner Investors Columbia Lake Partners.
Doch bringt Venture Debt neben dem Zugang zum Fremdkapitalmarkt und optimalen Einzelfalllösungen aufgrund der Flexibilität der Ausgestaltung noch mehr Vorteile für Start-ups mit sich: die Kapitalkosten sind geringer und die Kapitalbeschaffung schneller im Vergleich zur Eigenkapitalfinanzierung. In der Regel gibt es keine financial covenants, die die Entscheidungsfindung im Unternehmen einschränken. Auch beanspruchen die Darlehensgeber keine Sitze in der Geschäftsführung und es kommt lediglich zu einer geringfügigen Verwässerung der Gesellschafteranteile. Aber auch für die Investoren erweist sich der Einsatz von Venture Debt, besonders im aktuellen Niedrigzinsumfeld, als vielversprechende Anlageform. Die effektive Rendite liegt aufgrund der Kombination von Fremdkapitalzinsen und der Realisierung des Wertzuwachses des Unternehmens aus dem Equity Kicker bei 10 bis 25%.
Diese hohen Renditechancen sind jedoch gleichzeitig mit einem nicht unerheblichen Risiko des Kapitalverlusts verbunden. Deshalb betonte Netterfield, dass Venture Debt nicht für jedes Unternehmen in Frage kommt. So sollten sowohl Unternehmen als auch Investoren insbesondere dann von einer Venture Debt Finanzierung absehen, wenn diese lediglich den letzten finanziellen Ausweg für das Unternehmen darstellt, da Eigenkapital nicht mehr verfügbar ist, der Finanzierungsbedarf aus strukturellen Problemen des Unternehmens resultiert, eine Wertsteigerung in naher Zukunft nicht zu erwarten ist und die Rückzahlungsverpflichtung eine erhebliche finanzielle Last für das Unternehmen darstellt. Daher ist eine gründliche Prüfung sowie eine einzelfallorientierte Gestaltung und Verhandlung der Darlehensbedingungen unerlässlich. Gut ausgewählt und für den konkreten Fall ausgehandelt, kann eine Finanzierung mit Venture Debt jedoch positive Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg und letztlich die Gesamtwirtschaft haben. So können Unternehmen mit der Inanspruchnahme von Venture Debt zwischenzeitliche Kapitalknappheit vermeiden, den nächsten Meilenstein durch Finanzierung von Betriebsmitteln oder Ertragswachstum erreichen, eine schlechte Unternehmensbewertung im Falle eines kurzzeitigen Abwärtstrends vermeiden und den Zeitraum zwischen den einzelnen Equity-Finanzierungsrunden verlängern.
Politisches Umfeld
Leider findet dieser Erfolg in der deutschen Wirtschaft bisher nur wenig Beachtung. So sprach Udo Neuhäußer, Ministerialrat im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), zwar von einem wachsenden Venture Capital Markt in Deutschland, in dem bisher auch einige Venture Capital Fonds aufgelegt wurden, jedoch noch keine im Bereich Venture Debt. Dies führt er auf die schlechten Marktbedingungen und das lange Zeit unveränderte regulatorische Umfeld für Debt Fonds zurück. So habe Deutschland zwar eine stetig wachsende Wirtschaft, jedoch fehle es an inländischen Fonds und Investoren, die dieses Wirtschaftswachstum optimierend unter Ausnutzung der Vielzahl von Investitionsmöglichkeiten unterstützen. Nach Ansicht von Neuhäußer sei es aktuell ein großer Nachteil für deutsche Unternehmen, nicht mit Venture Debt operieren zu können. „There is a large growth financing gap.“
Auch Luis Cervera Lozano (European Investment Bank, EIB) sieht eine große Lücke in der Wachstumsfinanzierung junger Unternehmen, die durch Venture Debt aufgrund der flexiblen Ausgestaltung geschlossen werden kann. Die EIB investiert daher über den European Investment Fund seit 2012 in sechs Venture Debt Fonds. „We provide risk financing to stimulate entrepreneurship and innovation in Europe”, so Cervera Lozano. Dabei wurden im Durchschnitt 26 % des investierten Kapitals Deutschland zugewiesen und kamen insgesamt 44 deutschen Unternehmen zugute. Mit dem Projekt „Mezzanin Dachfonds für Deutschland“ wurde ein weiteres Projekt gestartet, das ebenfalls u.a. im Venture Debt-Bereich agiert.
Die European Investment Bank möchte mit ihrem Projekt „Quasi-Equity“ diese Marktlücke in der Finanzierung kleiner und mittelständischer Unternehmen ebenfalls schließen. Zwar unterstützt die European Investment Bank die europäische Venture Capital- und Private Equity-Industrie bereits über den European Investment Fund, doch reiche dies nicht aus, um die strukturelle Lücke in der Wachstumsfinanzierung zu beheben, so Cervera Lozano. Deshalb begibt auch die EIB Fremdkapital an kleine und mittelständische Unternehmen in der Form von Quasi Equity Debt bzw. Venture Debt. Voraussetzungen für die Vergabe sind neben der Eigenkapitalausstattung des Unternehmens ein stabiles und erfahrenes Management-Team, eine professionelle Unternehmensführung und eine solide Kapitalstruktur.
Nach Einschätzung von BMWi-Ministerialrat Neuhäußer führen diese Maßnahmen zwar in die richtige Richtung, die Investitionssummen seien jedoch zu gering, um gesamtwirtschaftliche Auswirkungen erzielen und Venture Debt einer Vielzahl von Unternehmen zur Verfügung stellen zu können. Deshalb werden nun als sog. „Recovery Program“ auch staatliche Mittel in Deutschland für Venture Debt Finanzierungen zur Verfügung gestellt. „Our aim is not to crowd out, but to crowd in“, so Neuhäußer.
Fazit
Die Diskussion um Venture Debt im Rahmen des 12. Frankfurter Funds Forums hat gezeigt, dass diese Form der Fremdfinanzierung eine Lücke in der Wachstumsfinanzierung junger Unternehmen schließen und unter bedachtem Einsatz positive Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg erzielen kann. Gleichzeitig bietet sie aber auch Investoren eine vielversprechende Anlageform.