
Welche Bedenken rechtlicher Natur haben Start-ups, aber auch etablierte Unternehmen beim Thema Kooperationen in Form von CVC?
Die Bedenken sind während der fast 20 Jahre, die es Corporate Venture Capital (CVC) mittlerweile gibt, eigentlich immer die gleichen geblieben; allerdings gibt es heutzutage mehr Praxiserfahrungen. Aufseiten der Start-ups sind beim Einstieg eines Corporate-Investors in der Regel bereits andere Wagniskapitalgeber im Gesellschafterkreis. Häufig gibt es dann die Sorge, dass hier ein Geldgeber mit tiefen Taschen kommt, der ausschließlich strategische Interessen verfolgt und nicht daran interessiert ist, innerhalb eines zeitlich begrenzten Rahmens Geld zu verdienen, heißt einen Exit zur höchstmöglichen Bewertung anzustreben. Die Frage ist dann: Kann ich als Gründer oder Gesellschafter nach dem Einstieg eines CVCs das Unternehmen in Zukunft noch gewinnbringend an einen Dritten veräußern? Auch die Frage, ob der Stratege eine mögliche zukünftige Finanzierungsrunde ohne ihn blockieren könnte, taucht immer wieder auf. Ein weiteres Bedenken ist, ob der Konzern über das Investment Zugang zur Technologie des Start-ups erhalten und diese dann selbst nutzen könne.
Wie gut sind Start-ups Ihrer Erfahrung nach aufgestellt, wenn es um den Schutz ihres Know-hows vor einem möglichen Abfluss an investierte Konzerne geht?
Grundsätzlich schlecht. Das liegt daran, dass etwa 90% der Start-ups in Deutschland als GmbHs strukturiert sind. Steigt nun ein CVC bei dem Unternehmen ein, tut er das in der Regel über eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung und hat damit qua Gesetz einen vollständigen Auskunftsanspruch gegenüber der Gesellschaft. Daher sollte man als Start-up versuchen, soweit es irgendwie möglich ist, über vertragliche Regelungen den Zugang einzuschränken. Vielfach haben Start-ups diese Gefahr gar nicht auf dem Schirm, sondern befassen sich hauptsächlich mit der Frage, ob sie Synergien mit dem Konzern heben und ihr eigenes Produkt weiterentwickeln können.
Werden die eben angesprochenen Bedenken von den klassischen Venture Capital-Gesellschaften geteilt oder zerstreut?
Das hat sich im Laufe der Zeit etwas geändert. Meine erste Erfahrung in diesem Bereich war ein sehr spannender Fall vor knapp elf Jahren. Seinerzeit gab es auch aufseiten der klassischen Venture Capital-Investoren große Bedenken gegenüber dem Strategen. Aufgrund der durchweg positiven Erfahrungen in den letzten Jahren haben sich die Vorbehalte mittlerweile fast vollständig zerstreut. Allerdings achten die Finanzinvestoren sehr darauf, dass an den relevanten Punkten ihre eigene Bewegungsfreiheit gewährleistet ist.
Welche juristischen Modelle einer Kooperation sehen Sie aktuell neben der Beteiligung?
Zu etwa 80% sind die juristischen Modelle am Ende eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung. Auf dem Weg dorthin sind die direkte Eigenkapitalbeteiligung, eine Fremdkapitalfinanzierung – meist verbunden mit einem Kooperations- oder Joint Venture-Vertrag – sowie Inkubator- oder Accelerator-Programme oft genutzte Modelle. Die letzten beiden setzen natürlich sehr früh an, noch bevor ein wirkliches Geschäftsmodell erprobt ist. Ein weiteres Modell, das auch heute noch häufig angewendet wird, sind Beteiligungen über Service- oder Media for Equity. Hierbei stellt der Konzern dem Start-up eine Dienstleistung, die er sowieso am Markt anbietet, statt einer Finanzierung zur Verfügung. In diesem Fall ist darauf zu achten, dass sowohl das Start-up wie auch der Konzern diese Leistungen steuerlich und bilanziell korrekt verbuchen.
Insbesondere beim Thema Inkubatoren gab es vor einigen Jahren einen regelrechten Hype, der mittlerweile deutlich abgeflaut ist. Wie professionell sind Konzerne hinsichtlich ihrer Investitionsentscheidungen Ihrer Wahrnehmung nach heute aufgestellt?
Die Bandbreite ist hier natürlich groß. Viele Entscheidungen sind ohne Zweifel von Trends beziehungsweise Ängsten geprägt, etwas zu verpassen. Mein Eindruck ist aber, dass diejenigen, die konstant über Jahre in Start-ups investiert haben, heute ein sehr professionelles Set-up aufweisen. Diese Unternehmen sehen ihre Investitionen nicht durch die Brille der Förderung, sondern verfolgen ein ganz konkretes Eigeninteresse. Ich persönlich sehe bei den Inkubator- und Accelerator-Programmen auch keinen wirklichen Mehrwert für die Konzerne, wenn nicht von Anfang an ein echtes Geschäftsmodell finanziert wird. Ist das nicht der Fall, ist der ökonomische Output für die Corporates nicht sonderlich hoch. Die Konzerne, die eine eigene Investmentgesellschaft inklusive Team aufgesetzt haben und sich einzelne konkrete Investments ansehen, agieren meines Erachtens hochprofessionell und werden im Markt als komplementäres Angebot wahrgenommen.
Könnten diese professionellen Strukturen dazu führen, dass die CVC-Aktivitäten auch im Falle einer konjunkturellen Eintrübung oder einer Finanzkrise fortgeführt werden – ihnen also ein Schicksal wie zu Beginn der Nullerjahre erspart bleibt?
Viele der Konzerne, die vor zehn bis 15 Jahren ihre Portfolios abgestoßen haben, sind heute wieder im Corporate Venture Capital-Umfeld aktiv. Ich glaube, dass kaum ein großes Unternehmen den Fehler nochmal machen wird, aufgrund eines Strategieschwenks oder Ähnlichem sein Start-up-Portfolio abzustoßen. Wie ernst das Thema Corporate Venture Capital genommen wird, zeigt sich auch am Personal. Es ist beileibe nicht so, dass bei den CVC Einheiten immer nur Mitarbeiter aus dem Mutterhaus arbeiten. In der Regel sind hier vielfach Investment Professionals beschäftigt, die meist marktüblich incentiviert und damit natürlich auch motiviert sind, gute und profitable Investments zu tätigen.
Sprung nach vorne zur Übernahme: Wie müssen sich Start-ups und etablierte Unternehmen „aufstellen“, um Komplikationen bei der Angliederung an den Konzern zu vermeiden?
Das ist durchaus ein kritischer Punkt, da die unternehmerische Freiheit für Start-ups sehr wichtig ist, damit diese sich dynamisch entwickeln können. Meines Erachtens funktioniert das aber in der Praxis meistens recht gut, da die Start-ups in aller Regel nicht in den Konzern eingegliedert werden – auch wenn natürlich gewisse Compliance Themen nicht komplett außen vor gelassen werden. Bestimmte „Hygienevorschriften“ lernen die Start-ups aber meist schon während der Beteiligung eines Corporate Venture Capital-Gebers kennen. Diese erwarten anständige Reportings, einen vernünftigen Jahresabschluss und eine ordentliche Buchhaltung. Vielfach bringt der CVC mit seinem Investment eine gewisse Disziplin in die jungen Unternehmen, die häufig in erster Linie darauf bedacht sind, ihre Geschäftsidee oder ihr Produkt voranzutreiben.
Auch klassische Venture Capital-Investoren verlangen von ihren Start-ups Reportings. Wo unterscheiden sich da die CVCs?
In der Form der Reportings unterscheiden sich beide kaum. Der klassische Wagniskapitalgeber verlangt sie aus einem anderen Interesse: Er muss regelmäßig sein Portfolio bewerten können und selbst an seine Limited Partner reporten. Wo ich schon Unterschiede sehe, ist in der harten Durchsetzung des Themas. Ein Corporate besteht sehr formal auf die Reportings, wohingegen ein klassischer Venture Capital-Geber etwas mehr Spielraum hat. CVC Einheiten werden vom Konzern-Controlling dazu gedrängt, gewisse Angaben zu machen – diesen Druck geben sie nach unten weiter.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in: VentureCapitalMagazin, Corporates & Start-ups 2019, S. 14/15
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