
Steuerfolgen des Zuzugs
Ein deutschstämmiges, venezolanisches Ehepaar mietet eine Wohnung im Inland und nutzt diese gelegentlich für Aufenthalte in Deutschland, die nie länger als 183 Tage im Jahr dauern. Anknüpfungspunkt der unbeschränkten deutschen Steuerpflicht ist der Wohnsitz (§ 8 AO), der – anders als der gewöhnliche Aufenthalt – keine längere Verweildauer im Inland voraussetzt. Wenn im Inland ein Wohnsitz begründet wurde, ist die 183-Tage Grenze unerheblich. Nur bei einer kurzfristigen oder vorübergehenden Unterbringung wird noch kein Wohnsitz begründet. Erforderlich ist eine Nutzung, die über Ferienaufenthalte oder kurze Aufenthalte zu Erholungszwecken hinausgeht.
Nach den Tie-Breaker Kriterien des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) liegt der Wohnsitz des Ehepaars für ertragsteuerliche Zwecke in Venezuela. Anders als im ertragsteuerlichen Bereich besteht zwischen Deutschland und Venezuela kein Erbschaft- und Schenkungsteuer-DBA. Für schenkungsteuerliche Zwecke könnte die deutsche Finanzverwaltung daher von einem inländischen Wohnsitz der Eheleute ausgehen. Etwaige Schenkungen würden dann der Besteuerung in Deutschland unterliegen, obwohl die Beschenkten tatsächlich nur über einen schwachen Bezug zu Deutschland verfügen.
Ähnlich gelagert ist der Fall einer Familie aus den USA. Der US-amerikanische Ehemann mietet eine Wohnung im Inland, die ausschließlich von seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern bewohnt wird. Er selbst lebt und arbeitet in den USA und reist nur für kurze Besuche bei seiner Familie nach Deutschland. Abkommensrechtlich ist er daher weiterhin in den USA ansässig. Als Begünstigter eines amerikanischen Familien-Trusts kann der Ehemann allerdings der deutschen Zurechnungsbesteuerung unterliegen, da diese den Regelungen des DBA-USA vorgeht. Der Vorrang der Zurechnungsbesteuerung sollte sich jedoch auf die DBA-Verteilungsregeln beschränken und sich nicht auch auf die Tie-Breaker-Regeln des DBA beziehen. Ist dies der Fall, unterliegen die Erträge aus dem US-Familien-Trust nicht der deutschen Besteuerung.
Weniger Glück hatte der australische Managing Director einer operativ tätigen Ltd. mit Sitz in Australien. Seit seinem Zuzug nach Deutschland reist dieser zwar für einige Wochen pro Jahr nach Australien, erledigt aber den Großteil seiner Geschäftsleitungsaktivitäten von Deutschland aus. Infolgedessen ist eine deutsche Geschäftsleitungs-Betriebsstätte begründet worden. Die Ltd. ist dadurch unbeschränkt körperschaft- und gewerbesteuerpflichtig geworden. Neben der Steuerpflicht als solcher bereitet auch die Gewinnabgrenzung zwischen der deutschen Geschäftsleitungs-Betriebsstätte und der australischen Betriebsstätte Schwierigkeiten.
Steuerfolgen des Wegzugs
Beim Wegzug nach Großbritannien beantragt ein deutsches Ehepaar dort die Besteuerung nach der so genannten Remittance Basis. Die Ehefrau ist mit 4% an einer deutschen GmbH beteiligt, dem Ehemann gehört in Deutschland eine vermietete Eigentumswohnung. Aufgrund der GmbH-Beteiligung und der Immobilie liegen „wesentliche wirtschaftliche Interessen“ in Deutschland vor. Die Eheleute unterliegen deshalb mit allen Kapitaleinkünften aus deutschen Quellen der so genannten erweiterten beschränkten Steuerpflicht (§ 2 AStG).
Nicht nur inländische Beteiligungen können beim Wegzug zu weitreichenden Steuerfolgen führen. Ein Unternehmer ist mit 25% an einer 1986 gegründeten ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt. Im Jahr 2018 verlagert er seinen Lebensmittelpunkt von Deutschland nach Österreich. Infolgedessen unterliegt seine Beteiligung der deutschen Wegzugsteuer. Fraglich ist, ab welchem Zeitpunkt die Wertsteigerung der deutschen Besteuerung unterliegt. Bestenfalls wäre das der 1.1.2007, da dies der Zeitpunkt ist, zu dem die Wegzugsteuer für Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften eingeführt wurde. Im schlechtesten Fall könnte die Finanzverwaltung die Wertsteigerung seit Erwerb der Beteiligung als Bemessungsgrundlage heranziehen. Trotz Umzug von einem EU-Land in ein anderes kommt es in diesem Fall zur vollen sofortigen Besteuerung, wenn der Unternehmer kein EU-Bürger ist. Beim Wegzug von EU-Bürgern innerhalb der EU wäre die Besteuerung zinslos gestundet. Wie es sich mit Wegzugsfällen nach Großbritannien nach dem Brexit verhält, ist fraglich.
Ungeachtet ihres Wegzugs unterliegen deutsche Staatsangehörige für einen Zeitraum von weiteren fünf Jahren ab Wohnsitzaufgabe der unbeschränkten Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht. Im Falle des Wegzugs in die USA wurde der Zeitraum für diese „erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht“ sogar auf zehn Jahre verlängert. Nach Ablauf dieser Frist können Übertragungen von Auslandsvermögen an im Ausland ansässige Erwerber ohne deutsche Erbschaft- oder Schenkungsteuer durchgeführt werden. Bestimmte Vermögensgegenstände unterliegen jedoch weiterhin der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuer. Dies ist z.B. der Fall bei inländischem Grundvermögen und bei bestimmten Beteiligungen an deutschen Handelsgesellschaften.