
Deutschland im ökonomischen Stillstand
Die deutsche Wirtschaft tritt seit Längerem auf der Stelle. Seit Jahren wird kaum Wachstum verzeichnet – in 2025 wird laut Prognose des ifo Instituts ein Plus von 0,3 % erwartet. Ursachen gibt es viele: Pandemie, Energiekrise, geopolitische Spannungen, aber auch hausgemachte Probleme wie überbordende Bürokratie und schleppender Strukturwandel, etwa in der Automobilindustrie. Im Gespräch wird indes deutlich: Die Talsohle scheint erreicht, wenngleich der Weg aus der Stagnation noch lang und mitunter politisch heikel ist.
Geld allein reicht nicht
Die neue Bundesregierung hat sich mit Sondervermögen finanzielle Spielräume geschaffen. Das klingt zunächst vielversprechend: Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Verteidigung sollen Impulse setzen. Doch Fuest warnt: Ohne begleitende Strukturreformen droht das Geld zu verpuffen. „Es besteht die Gefahr, dass man sich auf kurzfristige Wachstumszahlen verlässt und die unbequemen Reformen aufschiebt“, so der Ökonom. Dabei könnten Investitionen und Reformen gemeinsam eine starke Hebelwirkung entfalten. Wenn etwa Infrastrukturprojekte mit einem Abbau bürokratischer Hürden einhergehen, ließe sich nicht nur kurzfristig Wachstum erzeugen, sondern auch die Basis für langfristige Produktivitätsgewinne legen.
Bürokratieabbau als Wachstumsmotor
Besonders dringlich sei laut Fuest der Abbau überflüssiger Bürokratie. Eine Studie des ifo Instituts zeige: Realistische Deregulierungsschritte könnten das jährliche Wachstum um 0,5 Prozentpunkte steigern – ein enormer Effekt. Doch dafür müsse der Staat auch bereit sein, Aufgaben abzugeben, statt nur bestehende Regelwerke zu „entschärfen“. „Man muss sich fragen: Muss der Staat das überhaupt regeln?“, so Fuest.
Reformwille oder Reformangst?
Obwohl die Notwendigkeit von Reformen in Berlin erkannt sei, mangele es oft am politischen Mut zur Umsetzung. Besonders bei sensiblen Themen wie der Rente werde eher in die falsche Richtung gesteuert. Fuest plädiert für mehr Ehrlichkeit gegenüber den Wählerinnen und Wählern: „Man muss die Menschen wie Erwachsene behandeln und ihnen erklären, warum Reformen nötig sind.“ Reformen müssten nicht nur ökonomisch, sondern auch kommunikativ begleitet werden.
Fazit: „Jetzt ist der Moment“
Deutschland steht an einem Wendepunkt. Die finanziellen Mittel sind da – sie müssen nun klug eingesetzt werden. Der Schlüssel liegt in der Kombination aus Investitionen und Strukturreformen. Nur so kann nachhaltiges Wachstum entstehen. Die Verantwortung liegt bei der Politik – aber auch bei einer informierten Öffentlichkeit, die Reformen einfordert und begleitet.
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Dieses Interview entstand im Rahmen des Munich Private Equity Training (MUPET) am 26. Juni 2025 in München.
Prof. Dr. h.c. Clemens Fuest ist Präsident des ifo Instituts. Zudem ist der Ökonom Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Direktor des dortigen Center for Economic Studies (CES).
Dr. Tim Junginger ist Partner der Kanzlei POELLATH im Bereich M&A.
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