Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 21. Mai 2019 das lang erwartete Schreiben zu Anwendungsfragen zum Investmentsteuergesetz in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung (InvStG) veröffentlicht (der „Anwendungserlass“). Der Anwendungserlass geht vor allem auf die Vorschriften für (einfache) Investmentfonds (§§ 1-24) und die Anwendungsund Übergangsvorschriften (§ 56 InvStG) ein.
Diese Bestimmungen betreffen u.a. als Kapitalgesellschaften oder Sondervermögen strukturierte Private Equity Fonds und -Dachfonds (im Folgenden „Investmentfonds“).
Zusammenfassung
- Eine Steuerfreiheit auf der Fondsebene hinsichtlich gewerblicher Einkünfte setzt nun grundsätzlich einheitlich für die Gewerbe- und Körperschaftsteuer „nur“ voraus, dass Beteiligungen nicht wesentlich aktiv unternehmerisch bewirtschaftet werden, sodass bestimmte gewerbliche Einkünfte auch für Körperschaftsteuerzwecke nicht steuerpflichtig sind.
- Der Anwendungserlass positioniert sich uneinheitlich zu der für Dachfonds wichtigen Frage, inwieweit Investmentfonds bei einer Beteiligung an als gewerbliche Personengesellschaften strukturierten Zielfonds der Körperschaft- bzw. Gewerbesteuer unterliegen können.
- Für die Höhe des Teilfreistellungssatzes ist es unerheblich, ob sich Investoren unmittelbar oder mittelbar über Personengesellschaften an Investmentfonds beteiligen.
- Die Möglichkeit des Nachweises der Voraussetzungen für Teilfreistellungen im Veranlagungsverfahren der Anleger soll ab 2020 eine Auflistung mit den für jeden Geschäftstag tatsächlich erreichten Quoten voraussetzen.
- Die Finanzverwaltung hält (im Einklang mit aktuellen Gesetzgebungsplänen) an ihrem Standpunkt fest, dass über Personengesellschaften gehaltene Kapitalbeteiligungen für die Gewährung einer Teilfreistellung unbeachtlich sind.
- Der Anwendungserlass lässt leider wichtige Fragen zur Besteuerung von Spezial-Investmentfonds offen.
Einkünftequalifikation für Körperschaftsteuerzwecke bei Investmentfonds
Der Anwendungserlass stellt klar, dass auf der Fondsebene zu versteuernde gewerbliche Einkünfte für Körperschaftssteuerzwecke im Gleichlauf mit den gewerbesteuerlichen Regeln nur vorliegen, wenn der Investmentfonds seine Vermögensgegenstände wesentlich aktiv unternehmerisch bewirtschaftet.
Investmentfonds gelten als Körperschaft- und Gewerbesteuersubjekte. Sachlich sind auf Fondseingangsseite aber nur bestimmte Einkünfte aus inländischen Quellen in Deutschland steuerpflichtig, insb. inländische Beteiligungseinnahmen wie z. B. Dividenden von deutschen Portfoliogesellschaften.
Auf der Fondsebene sind zudem Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb steuerpflichtig, für den eine deutsche Betriebsstätte bzw. ein ständiger Vertreter in Deutschland unterhalten wird. Für Gewerbesteuerzwecke ist ausdrückliche zusätzliche Voraussetzung der Steuerpflicht, dass der Investmentfonds seine Vermögensgegenstände „in wesentlichem Umfang aktiv unternehmerisch bewirtschaftet“.
Nach diesen – gegenüber den allgemeinen einkommensteuerlichen Regelungen (wohl) großzügigeren – Kriterien führen Tätigkeiten, die z.B. einen nach allgemeinen Regeln steuerlich zu erfassenden gewerblichen Wertpapierhandel begründen, nicht zwingend zur Steuerpflicht eines Investmentfonds. Für Private Equity-Fonds kommt es maßgeblich darauf an, ob eine Beteiligung am aktiven Management von Portfoliogesellschaften erfolgt.
Die Klarstellung erleichtert es Fondsmanagern, in dieser für die Steuerplanung wichtigen Frage Rechtssicherheit zu erlangen, weil für die körperschaftsteuerliche Beurteilung insoweit nun der gleiche Maßstab gilt wie für die Gewerbesteuer.
Steuerpflicht von Dach-Investmentfonds
Entgegen der erkennbaren Tendenz, einen Gleichlauf von Körperschaft- und Gewerbesteuer herstellen zu wollen, enthält der Anwendungserlass diesbezüglich uneinheitliche Aussagen zur Behandlung von Beteiligungen eines Investmentfonds an gewerblichen Personengesellschaften.
Für Zwecke der Gewerbesteuer soll die Beteiligung eines Investmentfonds an einer gewerblich tätigen oder infizierten Personengesellschaft nicht zu einer Besteuerung des Investmentfonds führen, wenn der Investmentfonds lediglich Beratungs- und Kontrollfunktionen bzw. Kommanditisten- oder sonstige Verwaltungsrechte ausgeübt werden.
Für Zwecke der Körperschaftsteuer soll aber eine ggf. zu einer Besteuerung des Investmentfonds führende aktive unternehmerische Bewirtschaftung bei jeder Beteiligung an gewerblichen Personengesellschaften vorliegen.
Dies führt zu einer Reihe von für Dachfonds relevanten Folgefragen, deren Klärung durch die Finanzverwaltung wünschenswert wäre.
Teilfreistellungen bei Mitunternehmerschaften/Personengesellschaften
Für Anleger von Investmentfonds sind Erträge aus der Beteiligung an Investmentfonds u.a. dann teilweise steuerbefreit (sog. Teilfreistellung), wenn der Investmentfonds als Aktien- oder Mischfonds zu qualifizieren ist. Dafür muss der Fonds grundsätzlich gemäß seinen Anlagebedingungen fortlaufend zu einem bestimmten Anteil aus sog. Kapitalbeteiligungen, insb. Anteilen an nicht steuerbefreiten Kapitalgesellschaften, bestehen (Kapitalbeteiligungsquoten).
Die genaue Höhe der Teilfreistellung ist abhängig von der Qualifikation des Anlegers. Ist der Anleger eine natürliche Person, die ihre Investmentanteile im Betriebsvermögen hält, oder eine Körperschaft, gelten ggf. besondere (höhere) Teilfreistellungen als die „Regel-Teilfreistellung“ von 30 % (Aktienfonds) bzw. 15% (Mischfonds).
Bislang war unklar, ob bei Personengesellschaften stets nur die „Regel-Teilfreistellung“ anwendbar ist. Dementgegen hat das BMF im Anwendungserlass klargestellt, dass sich die Höhe des anwendbaren Teilfreistellungssatzes nach den Gesellschaftern der Personengesellschaft richtet, so dass das Halten von Anteilen an Investmentfonds durch eine Personengesellschaft für die Höhe des Teilfreistellungssatzes unschädlich ist.
Nachweis von Anlagegrenzen
Ist eine Kapitalbeteiligungsquote nicht in den Anlagebedingungen des Investmentfonds festgeschrieben, kann ein Anleger nur noch auf Antrag im Veranlagungsverfahren in den Genuss von Teilfreistellungen gelangen, wenn er nachweisen kann, dass der Investmentfonds die relevante Kapitalbeteiligungsquote während des Geschäftsjahres tatsächlich durchgehend überschritten hat.
Als Nachweise hierfür sollen nach dem Anwendungserlass insbesondere Vermögensverzeichnisse und schriftliche Bestätigungen des Investmentfonds in Betracht kommen. Jahres- oder Halbjahresberichte seien allein nicht ausreichend.
Solche Bestätigungen des Investmentfonds ab dem 1. Januar 2020 sollen zudem eine Auflistung enthalten, in der für sämtliche Geschäftstage des betreffenden Geschäftsjahres die jeweils tatsächlich erreichten Quoten angegeben werden. Es wäre wünschenswert, wenn die Finanzverwaltung die Reichweite dieses Nachweiserfordernisses noch klarstellen würde. Unseres Erachtens sollte der Nachweis auch bei nicht geschäftstäglicher Bewertung zu erbringen sein, indem die jeweils neuesten verfügbaren Werte angesetzt werden. Angesichts der nicht geschäftstäglichen Bewertung von Beteiligungen eines Private Equity-Fonds wäre das Erfordernis schlicht nicht erfüllbar, wenn der Nachweis für jeden Geschäftstag eine neue Bewertung erfordern würde. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Finanzverwaltung hierzu positioniert.
Wesentliche Erschwerung einer Teilfreistellung für Dachfondsanleger
Die Finanzverwaltung hält an ihrem Standpunkt fest, dass über Personengesellschaften gehaltene Kapitalbeteiligungen für die Gewährung einer Teilfreistellung unbeachtlich sind. Dies entspricht auch der vorgesehenen gesetzlichen Regelung, wie sie sich aus dem im Mai bekannt gewordenen Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften ergibt. Dies führt zu einer nach unserem Dafürhalten systemwidrigen steuerlichen Schlechterstellung von Dach-Investmentfonds.
Offene Fragen bei Spezial-Investmentfonds
Der Anwendungserlass geht noch nicht auf die §§ 25 ff. InvStG zur Besteuerung von Spezial-Investmentfonds ein. Damit bleiben weiterhin wesentliche Fragen offen, z.B. zur Erwerbbarkeit bestimmter Vermögensgegenstände gemäß § 26 Nr. 4 InvStG.
Nach dem letzten Entwurf des Anwendungserlasses sollten etwa Anteile an geschlossenen Alternativen Investmentfonds (AIF) als Wertpapiere erwerbbar sein, wenn der AIF einer Unternehmenskontrolle und der Rechtsträger den Vorschriften des Anlegerschutzes unterliegt. Wünschenswert wäre, wenn auch derlei dringliche Anwendungsfragen zeitnah durch finale Anwendungsschreiben bestätigt würden.
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