
Am 14. November 2019 hat der Bundestag das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) verabschiedet. Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) wurde bereits am 9. Mai 2019 neu gefasst. Daraus ergeben sich praxisrelevante Regeländerungen für die Vorstandsvergütung börsennotierter Unternehmen, die auch auf privat gehaltene Unternehmen ausstrahlen können.
ARUG II
Das ARUG II sieht drei wesentliche Neuerungen vor:
Erstens hat der Aufsichtsrat einer börsennotierten AG künftig ein Vergütungssystem für die Vorstandsmitglieder zu beschließen (§ 87a AktG nF). Darin ist ein abstrakter Rahmen festzulegen, u.a. die festen und variablen Vergütungselemente, die jeweiligen Leistungskriterien, der Beitrag der Vergütung zur Geschäftsstrategie und Unternehmensentwicklung, Rückforderungsmöglichkeiten (Claw Back) sowie die Berücksichtigung der Vergütungs- und Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer. Der Aufsichtsrat ist verpflichtet, im Vergütungssystem eine Obergrenze für die Vorstandsvergütung festzulegen. Diese ist konkret zu beziffern und betrifft sämtliche Vergütungsbestandteile. Der Aufsichtsrat bindet sich durch das Vergütungssystem selbst und kann nur unter engen Voraussetzungen davon abweichen. Das Vergütungssystem ist bis zur ersten ordentlichen Hauptversammlung in 2021 zu beschließen.
Zweitens ändert das ARUG II die Vergütungstransparenz. Die individuellen Angaben im Anhang oder Lagebericht werden durch einen separaten Vergütungsbericht nach § 162 AktG nF ersetzt. Es ist nicht mehr möglich, von der individuellen Offenlegung abzusehen. Im Vergütungsbericht sind künftig auch Leistungen an ausgeschiedene Vorstandsmitglieder auszuweisen. Ferner ist die Vorstandsvergütung der Ertragsentwicklung des Unternehmens sowie der Arbeitnehmervergütung in den vorangegangenen Geschäftsjahren gegenüberzustellen. Der neue Vergütungsbericht ist erstmalig für in 2021 beginnende Geschäftsjahre zu erstellen. Er erreicht allerdings nicht den Detaillierungsgrad der bislang vom DCGK empfohlenen Mustertabellen.
Drittens erweitert das ARUG II die Kompetenzen der Hauptversammlung. Dieser Punkt war zwischen den Regierungsparteien lange streitig. Der letztlich gefundene Kompromiss sieht vor, dass die Hauptversammlung die vom Aufsichtsrat im Rahmen des Vergütungssystems festgelegte Maximalvergütung verbindlich herabsetzen kann (§ 87 Abs. 4 AktG nF). Darüber hinaus beschließt die Hauptversammlung künftig mindestens alle vier Jahre sowie bei wesentlichen Änderungen über das vom Aufsichtsrat festgelegte Vergütungssystem sowie jährlich über den Vergütungsbericht (§ 120a AktG nF), wobei die gefassten Beschlüsse unverbindlich sind und nicht angefochten werden können (sog. Say on Pay). Abgesehen von der punktuellen Eingriffsmöglichkeit im Hinblick auf die Obergrenze verbleibt die Vergütungskompetenz somit beim Aufsichtsrat.
Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK)
Mit Inkrafttreten von ARUG II wird der neue DCGK alsbald verbindlich werden. Börsennotierte Unternehmen haben Abweichungen offenzulegen und zu begründen.
Der DCGK empfiehlt für die langfristige variable Vorstandsvergütung nunmehr ein konkretes Modell. Demnach soll der Aufsichtsrat auf erster Stufe die Leistungskriterien für die variable Vergütung für das bevorstehende Geschäftsjahr festlegen, wobei neben operativen vor allem strategische Ziele zu berücksichtigen sind (G.7 DCGK). Auf Grundlage der Zielerreichung nach Ablauf des Geschäftsjahres ist auf zweiter Stufe ein Bonusbetrag zu ermitteln, der überwiegend in Aktien der Gesellschaft anzulegen oder entsprechend aktienbasiert zu gewähren ist. Eine Verfügung und damit eine Wertrealisierung soll erst nach vier Jahren möglich sein (G.10 DCGK). Auf diese Weise tragen die Vorstandsmitglieder die durch den Aktienkurs vermittelten positiven und negativen Auswirkungen der erreichten (strategischen) Ziele.
Des Weiteren empfiehlt der DCGK, dass künftig variable Vergütungskomponenten, die bei Ausscheiden noch offen sind, bis zum vertraglichen Ende der Bemessungsperiode fortlaufen (G.12 DCGK). Damit partizipieren ausgeschiedene Vorstandsmitglieder an der positiven und negativen Unternehmensentwicklung nach ihrem Ausscheiden. Die gängige Praxis, potenzielle Ansprüche aus variablen Vergütungen zu schätzen und – ggf. abgezinst – auf Grundlage einer Aufhebungsvereinbarung vorzeitig auszubezahlen, wird damit zur rechtfertigungsbedürftigen Kodexabweichung.
Erwähnenswert ist außerdem eine neue Empfehlung, wonach in begründeten Fällen eine variable Vergütung einbehalten oder zurückgefordert werden kann (G.11 DCGK). Solche sog. Claw Back-Klauseln sind zwar immer wieder Gegenstand der Diskussion um angemessene Managergehälter, jedoch derzeit kein Marktstandard in der Vertragspraxis. Es spricht viel dafür, dass Rückforderungen eher in Fällen (schwerer) Pflichtverletzungen in Betracht kommen als bei wirtschaftlichem Misserfolg. Die zivilrechtliche Wirksamkeit entsprechender Vertragsklauseln hängt insbesondere davon ab, ob die im Einzelfall gewählte Formulierung mit AGB-Recht zu vereinbaren ist.
Fazit
Die Praxis steht vor der Aufgabe, die neuen Regeln aus ARUG II und neuem DCGK umzusetzen. Der Aufsichtsrat ist gut beraten, das bestehende Vergütungssystem zu überprüfen und etwaigen Anpassungsbedarf zu ermitteln. Es steht außerdem zu erwarten, dass sich der Marktstandard für die Vorstandsvergütung ändert und womöglich auch auf nicht börsennotierte Unternehmen ausstrahlt. Ein Ende der Corporate Governance-Diskussion ist nicht absehbar.
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