2021 war ein Rekordjahr für M&A-Aktivitäten. Investmentbanken und Private Equity-Investoren blickten noch zu Jahresbeginn optimistisch auf 2022, wenn auch nicht damit gerechnet wurde, die Rekordwerte des Vorjahres zu übertreffen. Eine gute Voraussetzung bot vor allem die große Menge an nicht investiertem Kapital in der Private Equity-Branche (sog. Dry-Powder). Angesichts der aktuellen geopolitischen Risiken, wird dieses Kapital alleine den M&A-Markt jedoch nur eingeschränkt beeinflussen können.
Im Fokus dieses Beitrags stehen daher zunächst die möglichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf den Transaktionsmarkt. Anschließend werden weitere Tendenzen skizziert, die das Marktumfeld in diesem Jahr beeinflussen können.
Ukraine-Krieg
Die offensichtliche Konsequenz des Ukraine-Kriegs liegt in den umfangreichen Sanktionen, die durch die EU, die USA sowie weitere Länder (u.a. Australien, Norwegen, Kanada, Türkei, UK, Japan, Südkorea, Taiwan, Schweiz) im ersten Quartal 2022 verhängt wurden. Diese haben das Ziel, Russland zu isolieren und die Geschäftsaktivitäten mit und in Russland stark einzuschränken. Darüber hinaus stellen Unternehmen, Beratungen und Kanzleien ihre Aktivitäten in Russland zunehmend auf den Prüfstand, pausieren diese oder ziehen sich ganz aus Russland zurück, so z.B. KPMG, PWC, EY, Linklaters, Visa, Ford, BP, Exxon Mobil.
Dazu kommen Preissprünge auf den Rohstoffmärkten, ein erhöhter Inflationsdruck sowie eine zunehmende Volatilität auf den globalen Finanzmärkten. Realistische Unternehmensbewertungen sind in einem derartigen Marktumfeld äußerst schwierig, Börsengänge werden verschoben und auch Private Equity-Investoren neigen dazu, Transaktionen aufzuschieben.
Transaktionen im aktuellen Marktumfeld, insbesondere aufgrund der gegenwärtigen Sanktionen, erfordern eine genaue Due-Diligence. Dabei sind Geschäftsbeziehungen und Lieferketten des Zielunternehmens hinsichtlich möglicher Sanktionsverstöße zu prüfen. Die Due-Diligence wird somit in Abhängigkeit des Geschäftsfelds und der Größe der Zielgesellschaft komplexer und zeitaufwendiger. Besonders betroffen sind Unternehmen im Energie- und Rohstoffsektor, Versicherungsunternehmen sowie Unternehmen mit komplexen Lieferketten. Diesem Risiko kann aus rechtlicher Sicht teilweise mit erweiterten Garantien oder Preisanpassungsklauseln begegnet werden. Es ist davon auszugehen, dass die Bedeutung von Material Adverse Change (MAC)-Klauseln, die es dem Käufer ermöglichen, bei Eintritt bestimmter Ereignisse den Vollzug des Kaufvertrags zu verweigern, ebenfalls zunehmen wird.
Sonstige Risiken für den Transaktionsmarkt
Für zusätzliche Unsicherheit bei Investoren sorgt die aktuelle Entwicklung der Zinspolitik. Die anhaltend hohen Inflationsraten erhöhen den Handlungsdruck der Zentralbanken. Die US-Notenbank FED erhöhte den Leitzins in diesem Monat um 0,25 Prozentpunkte auf 0,5 Prozent und kündigte weitere Zinserhöhungen auf bis zu 1,9 Prozent zum Ende des Jahres an. Das voraussichtliche Ende der langjährigen Niedrigzinspolitik senkt die verfügbare Geldmenge und erhöht die (Re-)Finanzierungskosten.
Schon vor der jüngsten Eskalation in der Ukraine waren dazu nicht nur in Deutschland zunehmend protektionistische Tendenzen erkennbar. Außereuropäische Investoren sehen sich daher beim Erwerb von Beteiligungen an deutschen Unternehmen einer strengeren Investitionskontrolle gegenüber. Insbesondere sog. „Schlüsseltechnologien“ werden verstärkt vor ausländischen Investoren abgeschirmt. Prominentes Beispiel hierfür ist die versuchte Übernahme des deutschen Unternehmens Siltronic durch Globalwafers aus Taiwan, die schlussendlich an der langen Verfahrensdauer des Freigabeprozesses durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gescheitert ist. Davon abgesehen hat das BMWK jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen Transaktionen vollständig untersagt. Das Außenwirtschaftsrecht verlangsamt M&A-Prozesse somit zwar, es stellt in den meisten Fällen jedoch kein unüberwindbares Hindernis dar. Der negative Einfluss auf den Transaktionsmarkt fällt dementsprechend – vorbehaltlich weiterer Verschärfungen – eher moderat aus.
Chancen und Trends
Ein Antreiber der M&A-Aktivität ist und bleibt die kontinuierlich hohe Geldmenge, die von Private Equity-Investoren verwaltet wird. Insbesondere Investoren, die auf günstige Einstiegschancen setzen, könnten das jetzige Marktumfeld für sich zu nutzen wissen. Durch die Erfahrungen in der Corona-Pandemie sind zudem virtuelle M&A-Prozesse etabliert, die grenzüberschreitende aber auch nationale Transaktionen vereinfachen und beschleunigen können. Für außereuropäische Investoren bleibt Deutschland als „Gateway to Europe“ weiterhin ein attraktiver Markt.
Auch im Jahr 2022 spiegeln sich die großen gesellschaftlichen Debatten über Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung in M&A-Transaktionen wider. Investoren (und deren Investoren) verlangen verstärkt, dass Unternehmen ESG-Standards (Environmental Social Governance) einhalten. In der Due-Diligence geraten ESG-Kriterien daher zunehmend in das Blickfeld eines Erwerbers. Ein schlechtes ESG-Rating kann zu Minderungen des Kaufpreises oder gar dem Abbruch einer Transaktion führen. Umgekehrt kann ein vorbildliches ESG-Rating den Marktwert des Unternehmens erhöhen. Darüber hinaus kann das eigene ESG-Rating durch strategische Akquisitionen gezielt verbessert werden.
Die Corona-Pandemie bleibt daneben auch weiterhin ein Transformations-Katalysator, hin zu mehr Digitalisierung. Davon profitieren insbesondere Technologieunternehmen, die entsprechende Lösungen wie Software, Cloud-Computing oder E-Commerce-Plattformen anbieten. Digitalisierung und technologische Innovationen bergen jedoch auch auf dem Health-Care-Markt ein hohes Wachstumspotenzial, ein Markt, der durch die zunehmende Alterung der Bevölkerungen in Industrienationen stetig an Attraktivität für Investoren gewinnt. Nicht zuletzt die Rüstungsindustrie erlebt, auch durch die sicherheitspolitische Wende in Deutschland, ein Comeback als interessantes Investitionsziel.
Insgesamt bleibt abzuwarten, wie sich das M&A-Jahr 2022 entwickeln wird, wobei der geopolitischen Lage und Entwicklung entscheidende Bedeutung zukommen wird. Die zahlreichen positiven Impulse für den Transaktionsmarkt lassen dabei auch einen vorsichtig optimistischen Ausblick zu, stets unter der Voraussetzung, dass der Krieg gegen die Ukraine zeitnah beendet wird.