
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie („BMWi“) hat Ende Januar Pläne vorgestellt, das deutsche Investitionsprüfungsrecht und damit die Regeln für ausländische Investitionen weiter zu verschärfen.
Ein Referentenentwurf sieht zunächst eine Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes vor. Zudem kündigt ein zeitgleich veröffentlichtes Strategiepapier Änderungen der Außenwirtschaftsverordnung an. Die Änderungen sollen im Laufe des Jahres erfolgen.
Key Facts
- Ausweitung der Meldepflicht auf Investitionen in den Bereichen künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Biotechnologie, Quantentechnologie;
- Vollzugsverbot für meldepflichtige Erwerbe bis zur Freigabe durch das BMWi;
- Absenkung der Untersagungsvoraussetzungen.
Ausweitung der Meldepflicht für ausländische Investitionen
Zukünftig sollen auch unmittelbare oder mittelbare Erwerbe von 10% oder mehr der Stimmrechte durch Investoren von außerhalb der EU oder der EFTA an deutschen Unternehmen, die in den folgenden Bereichen tätig sind, einer Meldepflicht unterliegen:
- Künstliche Intelligenz;
- Robotik;
- Halbleiter;
- Biotechnologie; oder
- Quantentechnologie.
Bisher besteht eine solche Meldepflicht nur für solche Beteiligungen an deutschen Unternehmen, die
- kritische Infrastrukturen betreiben;
- bestimmte branchenspezifische Software zum Betrieb von kritischen Infrastrukturen entwickeln oder ändern;
- mit Maßnahmen im Bereich der Überwachung von Telekommunikation betraut sind oder Technik zur Umsetzung derselben hergestellt haben oder hatten;
- die Cloud-Computing-Dienste erbringen und hierfür auf bestimmte sicherheitskritische Infrastrukturen zugreifen;
- Zulassung für Komponenten oder Dienste der Telematikinfrastruktur besitzen; oder
- in der Medienwirtschaft mittels Rundfunk, Telemedien oder Druckerzeugnissen zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen und sich durch besondere Aktualität und Breitenwirkung auszeichnen.
Zudem bestehen im Rahmen der sogenannten sektorspezifischen Investitionskontrolle Meldepflichten für nicht-deutsche Erwerber bei Beteiligungen an deutschen Unternehmen, die bestimmte Waffen, Munition und Rüstungs-material, Bestandteile von militärischen Fahrzeugen oder Produkte mit IT-Sicherheitsfunktionen zur Verarbeitung von staatlichen Verschlusssachen oder wesentliche Komponenten hierfür herstellen oder entwickeln.
Ausweitung des Vollzugsverbots auf alle meldepflichtigen Erwerbe
Zukünftig sollen alle meldepflichtigen Erwerbe einem Vollzugsverbot unterliegen. Eine meldepflichtige Beteiligung an einem deutschen Unternehmen soll schwebend unwirksam sein. Das zugrunde liegende Rechtsgeschäft soll erst dann wirksam werden, wenn das BMWi es schriftlich freigibt oder den Erwerb nicht fristgerecht untersagt.
Bisher gilt ein Vollzugsverbot nur innerhalb der sektorspezifischen Investitionskontrolle (siehe oben).
Ausweislich der Begründung des Referentenentwurfs soll mit der Ausweitung des Vollzugsverbots das Risiko reduziert werden, dass bis zum Abschluss des Prüfverfahrens vom Erwerber genau die Maßnahmen bereits vorgenommen und durchgeführt werden, deren sicherheitsrelevanten Wirkungen durch eine eventuelle künftige Untersagung verhindert werden sollen.
Absenkung des Untersagungskriteriums
Bisher kann das BMWi Erwerbe durch ausländische Investitionen nur dann untersagen oder Anordnungen erlassen, wenn die Beteiligung die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Zukünftig soll ein geringerer Gefährdungsgrad genügen. Ausreichen soll nun bereits eine „voraussichtliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit.“
Laut der Begründung des Referentenentwurfs soll es in der Einzelfallprüfung unter anderem darauf ankommen, ob und inwieweit ein Erwerb die technologische Souveränität der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen kann. Ferner gelte es, den konkreten Investor und dessen Hintergrund im Blick zu haben.
Ferner soll das BMWi künftig auch prüfen, ob Erwerbe die öffentlichen Ordnung oder Sicherheit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder Projekte oder Programme von Unionsinteresse beeinträchtigen können.
Weitere Änderungen für ausländische Investitionen
Geplant ist die Errichtung einer „Nationalen Kontaktstelle“ für den neuen EU-weiten Kooperationsmechanismus, die im BMWi angesiedelt wird. Diese neue Kontaktstelle hat unter anderem die Aufgaben, alle Mitgliedstaaten und die Europäischen Kommission über die in Deutschland eingeleiteten, vertieften Investitionsprüfungen zu unterrichten und Informationsbitten und Stellungnahmen entgegenzunehmen. Dadurch soll die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten im Bereich der Investitionsprüfung verbessert werden.
Es ist ferner zu erwarten, dass die geplante Änderung der Außenwirtschaftsverordnung, zu der noch kein Entwurf vorliegt, weitere Änderungen mit sich bringen wird. Insbesondere werden die Verfahrensfristen wohl verlängert werden. In der Diskussion sind auch Prüfmöglichkeiten bei Hinzuerwerben (Anteilsaufstockungen), atypischen Kontrollerwerben etc.
Einordnung
Mit der geplanten Verschärfung der Investitionskontrolle setzt sich die Entwicklung der vergangenen Jahre fort. Die deutsche Investitionskontrolle wurde bereits in den Jahren 2017 und 2018 verschärft.
Die nun vorgestellten Änderungsvorschläge sind Teil der Ende November präsentierten Industriestrategie 2030 von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Diese betont einerseits die Freiheit des internationalen Kapitalverkehrs als ein hohes Gut. Andererseits müsse die technologische Souveränität Deutschlands oder Europas gewahrt bleiben. Insbesondere müssten Know-how-Verluste vermieden und die Selbstbestimmung in zentralen technologischen Feldern erhalten bleiben.
Das BMWi hat sich bisher an weiteren Verschärfungen durch das europäische Primärrecht, insbesondere die Kapitalverkehrsfreiheit und deren Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof, gehindert gesehen. Das BMWi glaubt nun auf Basis des Sekundärrechts zusätzliche Handlungsspielräume zu haben. Am 11. April 2019 ist die Verordnung (EU) 2019/452 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union in Kraft getreten. Deutschland, Frankreich und Italien hatten sich bereits seit 2017 für eine Änderung der unionsrechtlichen Rahmenbedingungen eingesetzt.
Es bleibt abzuwarten, ob der Referentenentwurf in dieser Form die Zustimmung des Bundestags findet. Aus der Wirtschaft gibt es bereits Kritik an den Plänen. Für die M&A-Praxis und Investitionen in Deutschland kann insbesondere das geplante Vollzugsverbot erschwerend wirken. Hinzu kommt die Ausweitung auf weitere, bisher nicht näher definierte Bereiche sowie die mit 10% sehr niedrig angesetzte Meldeschwelle, die auch indirekte Investitionen erfasst. Bedenklich ist hier insbesondere, dass auch viele vollkommen unbedenkliche Beteiligungen an deutschen Unternehmen durch den zusätzlichen bürokratischen Aufwand erschwert werden.
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