Die Bundesregierung will Deutschland zu einem führenden Standort für nachhaltige Finanzen machen und auch für die BaFin stellen Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsrisiken immer wichtiger werdende Themen dar, was auch der Entwurf eines Merkblattes zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken (ESG-Compliance) vom 20. September 2019 unterstreicht. Dieses konsultiert die BaFin noch bis zum 3. November 2019. Insbesondere Kommentare zur Praxisnähe, den Beispielen und möglichen Auswirkungen sind erwünscht.
Was sind laut BaFin „Nachhaltigkeitsrisiken“?
Das Merkblatt bezeichnet jene Ereignisse oder Bedingungen aus den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung (Environmental, Social and Governance – ESG) als Nachhaltigkeitsrisiken, deren Eintreten tatsächlich oder potenziell erhebliche negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage sowie auf die Reputation eines Unternehmens haben können. Nachhaltigkeitsrisiken sieht die BaFin nicht als separate Risikoart, sondern vielmehr als Teilaspekt der bereits bekannten Risikoarten. Als solche sind sie auch durch die Geschäftsleitung einer KVG zu berücksichtigen (in Anlehnung an KAMaRisk 4.1 Tz. 3)
Good-Practice-Ansätze
Die BaFin beabsichtigt den von ihr beaufsichtigten Unternehmen mit dem Merkblatt eine Orientierung im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken zu geben, vor allem unter Verwendung von Beispielen und Leitfragen. Verbindliche gesetzliche oder aufsichtliche Vorgaben im Hinblick auf Nachhaltigkeitsrisiken werden durch das Merkblatt weder abgeschwächt, noch erweitert. Das Merkblatt ist als Kompendium sinnvoller Verfahrensweisen bzw. von Good-Practice-Ansätzen zu verstehen. Umgesetzt werden sollen diese unter Berücksichtigung des so genannten Proportionalitätsprinzips, welches besagt, dass Unternehmen umso aufwändigere Strukturen und Prozesse nutzen müssen, je bedeutender die Nachhaltigkeitsrisiken sind.
Die Beispiele und Leitfragen der BaFin sollen eine Hilfe für beaufsichtigte Unternehmen darstellen, ESG-Risiken in Strategien, Geschäftsorganisation und Risikomanagement zu integrieren (ESG-Compliance). Sie sind allerdings weder abschließend noch wertend.
Geschäfts- und Risikostrategie
In Bezug auf den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken sollten Unternehmen entweder eine eigenständige Strategie entwickeln oder bestehende Strategien entsprechend anpassen. Sowohl Geschäftsstrategie als auch Risikostrategie sollten ganzheitlich auf die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken überprüft werden. Hierfür stellt die BaFin viele Leitfragen zur Verfügung, wie beispielsweise: Welche Geschäftsfelder sind einem physischen Risiko ausgesetzt? Welche Politik wird bei der Stimmrechtsausübung im Hinblick auf Equity-Investitionen verfolgt? Sollen konkrete Nachhaltigkeitsziele verfolgt bzw. nachhaltige Finanzprodukte angeboten werden?
Risikomanagement
Zentraler Punkt des Merkblattes ist das Risikomanagement. Im Rahmen der bekannten Risikoarten sollten innerhalb des Risikomanagementsystems sowohl Aufgaben und Verantwortlichkeiten als auch der zeitliche Rahmen für die Identifikation, Beurteilung, Steuerung, Überwachung und Berichterstattung von Nachhaltigkeitsrisiken klar definiert werden. Die gewählten Methoden und Verfahren sollten die Unternehmen regelmäßig überprüfen. Weiterhin sollten die Nachhaltigkeitsrisiken ausdrücklich in den schriftlichen Risikomanagement-
richtlinien berücksichtigt werden.
Zur Steuerung bzw. Begrenzung sollten Methoden festgelegt werden, welche den Unternehmen ein angemessenes Management von Nachhaltigkeitsrisiken ermöglichen. Ein Beispiel hierfür stellen Ausschlusskriterien dar. Sie basieren auf der Identifikation von Unternehmen, Branchen, Staaten etc., in die nicht oder nur bis zu einem gewissen Limit investiert wird, da sie bestimmte Kriterien nicht erfüllen.
Stresstests und Auslagerung
Weiterhin sollten beaufsichtigte Unternehmen prüfen, ob die wesentlichen Nachhaltigkeitsrisiken in geeigneter Weise durch bestehende unternehmensindividuelle Stresstests abgebildet werden oder ob hierfür neue bzw. modifizierte unternehmensindividuelle Stresstests zu erstellen sind. Das Merkblatt gibt außerdem Hinweise in Bezug auf Szenarioanalysen, Transitionsszenarien und Auswirkungsszenarien.
Die BaFin geht zuletzt darauf ein, was bei Auslagerungen bzw. Ausgliederungen, bei Unternehmensgruppen und bei der Verwendung von Nachhaltigkeitsratings zu beachten ist.
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