Das Bundeskabinett hat am 8. April 2020 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes beschlossen. Der Gesetzentwurf entspricht weitgehend dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie („BMWi“) im Februar vorgelegten Referentenentwurf. Allerdings sieht er beim Vollzugsverbot für meldepflichtige Investitionen für die M&A-Praxis (einschließlich der Due Diligence) bedeutsame Verschärfungen vor.
Es wird erwartet, dass der Gesetzentwurf sehr zeitnah in das parlamentarische Verfahren eingebracht wird. Zudem soll die Investitionskontrolle durch eine Änderung der Außenwirtschaftsverordnung zusätzlich verschärft werden.
Laut Bundeswirtschaftsminister Altmaier schaffe die Reform die rechtlichen Voraussetzungen, um ausländische Investitionen etwa in Unternehmen der kritischen Infrastruktur noch umfassender und vorausschauender prüfen zu können. Gerade die aktuelle Situation zeige, dass Deutschland und Europa in bestimmten Bereichen eigene Kompetenzen und Technologien brauchen, die so besser geschützt werden können.
Key Facts
- Vollzugsverbot für meldepflichtige Erwerbe bis zur Freigabe durch das BMWi
- Verbote, dem Erwerber vor Freigabe, (i) relevante Informationen offenzulegen, (ii) die Ausübung von Stimmrechten zu ermöglichen oder (iii) Gewinnauszahlungsansprüche zu gewähren
- Strafrechtlich Sanktionen für Verstöße gegen dieses Verbote
- Absenkung der Untersagungsvoraussetzungen
Vollzugsverbot für alle meldepflichtigen Erwerbe
Zukünftig sollen alle meldepflichtigen Erwerbe einem Vollzugsverbot unterliegen. Eine meldepflichtige Beteiligung an einem deutschen Unternehmen soll schwebend unwirksam sein. Das dem Vollzug der Beteiligung dienende Rechtsgeschäft soll erst dann (rückwirkend) wirksam werden, wenn das BMWi den Erwerb freigibt, nicht fristgerecht untersagt oder die Freigabe als erteilt gilt.
Das Vollzugsverbot flankierende Verbotstatbestände
Um einen faktischen Vollzug, soweit er Sinn und Zweck der Investitionsprüfung unterläuft, präventiv zu verhindern, sollen verschiedene Verbotstatbestände eingefügt werden. Diese Verbote gelten vom Zeitpunkt der Vornahme des schuldrechtlichen Erwerbsgeschäfts an bis zum Abschluss des Investitionskontrollverfahrens.
Insbesondere dürfen dem Erwerber keine Informationen des Zielunternehmens offen gelegt werden, die für die Prüfung der Gefährdungstatbestände relevant sind oder deren Nichtoffenlegung vom BMWi angeordnet wurde. Laut der Begründung des Gesetzesentwurfs sind dies zum Beispiel Informationen, deren Herausgabe durch die Instrumente der Investitionskontrolle gerade verhindert werden soll. Diese Beschränkung bei der Offenlegung von Informationen wird künftig insbesondere bei der Durchführung einer Due Diligence zu berücksichtigen sein.
Ferner soll es verboten sein, dem Erwerber die Ausübung von Stimmrechten unmittelbar oder mittelbar zu ermöglichen. Dies schließt die Annahme von Weisungen zur Stimmrechtsausübung mit ein. Ebenso verboten wird es dem Erwerber den Bezug von Gewinnauszahlungsansprüchen, die mit dem Erwerb einhergehen, oder eines wirtschaftlichen Äquivalents zu gewähren.
Verstöße gegen diese Verbote können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden.
Absenkung des Untersagungskriteriums
Bisher kann das BMWi Erwerbe nur dann untersagen oder Anordnungen erlassen, wenn die Beteiligung die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Zukünftig soll ein geringerer Gefährdungsgrad genügen. Ausreichen soll nun bereits eine „voraussichtliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit.“
Ferner soll das BMWi künftig auch prüfen, ob Erwerbe die öffentlichen Ordnung oder Sicherheit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder Projekte oder Programme von Unionsinteresse beeinträchtigen können.
Weitere Änderungen
Geplant ist die Errichtung einer „Nationalen Kontaktstelle“ für den neuen EU-weiten Kooperationsmechanismus, die im BMWi angesiedelt wird. Diese neue Kontaktstelle hat unter anderem die Aufgaben, alle Mitgliedstaaten und die Europäischen Kommission über die in Deutschland eingeleiteten, vertieften Investitionsprüfungen zu unterrichten und Informationsbitten und Stellungnahmen entgegenzunehmen. Dadurch soll die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten im Bereich der Investitionsprüfung verbessert werden.
Das BMWi soll zudem weitere Kompetenzen zur Überwachung der Einhaltung von aus Anordnungen oder öffentlich-rechtlichen Verträgen hervorgehenden Verpflichtungen sowie weitere Sanktionsmöglichkeiten erhalten.
Der Anwendungsbereich der sektorspezifischen Investitionskontrolle soll erweitert werden. Bisher erfasst dieser Beteiligungen an deutschen Unternehmen, die bestimmte Waffen, Munition und Rüstungsmaterial, Bestandteile von militärischen Fahrzeugen oder Produkte mit IT-Sicherheitsfunktionen zur Verarbeitung von staatlichen Verschlusssachen oder wesentliche Komponenten hierfür herstellen oder entwickeln. Zukünftig sollen auch Unternehmen in den Anwendungsbereich fallen, die solche Produkte modifizieren oder nutzen oder in der Vergangenheit hergestellt, entwickelt, modifiziert oder genutzt haben und noch über Kenntnisse oder sonstigen Zugang zu relevanten Technologien verfügen.
Änderung der Außenwirtschaftsverordnung
Das BMWi will in Kürze Vorschläge zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vorlegen, welche die Bestimmungen des Außenwirtschaftsgesetzes präzisiert.
Ausweislich eines Strategiepapiers ist insbesondere eine Ausweitung der Meldepflicht auf Investitionen in den Bereichen künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Biotechnologie und Quantentechnologie geplant. Zukünftig sollen auch unmittelbare oder mittelbare Erwerbe von 10% oder mehr der Stimmrechte durch Investoren von außerhalb der EU oder der EFTA an deutschen Unternehmen, die in den diesen Bereichen tätig sind, einer Meldepflicht unterliegen.
Die strengere Prüfung von Auslandsinvestitionen war auch Thema bei der MUPET 2020. Im Rahmen des Webinars „Barbarians at the Gate? – Neue Genehmigungspflicht von Auslandsinvestitionen in Deutschland“ ging PE-Magazin-Autor Daniel Wiedmann auf alle relevanten Aspekte ein. Hier geht’s zum Video.
UPDATE: Am 28. August 2020 veröffentlichte die Financial Times über ihren Service FDI Intelligence ein Audio-Interview mit PE-Magazin-Autor Daniel Wiedmann zu den jüngsten Gesetzesänderungen in Deutschland mit Blick auf Auslandsinvestitionen. Hier geht’s zum Podcast.
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