
Das Wichtigste in Kürze
- Die neue, noch schärfere Wegzugsteuer soll künftig nicht mehr nur qualifizierte Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, sondern auch wesentliche Beteiligungen an Investmentfonds erfassen.
- Entsprechend der Gesetzesänderung sind solche Beteiligungen dann wesentlich, wenn die Beteiligung am Investmentfonds mindestens 1% (unmittelbar oder mittelbar innerhalb der letzten 5 Jahre) beträgt oder mindestens 500.000 Euro für die Anschaffung der Investmentanteile aufgewendet wurden.
- Anteile an Spezial-Investmentfonds sollen stets erfasst sein.
- Da die Wegzugsteuer im Einzelfall mit großen Risiken verbunden sein kann, sollte insbesondere vor einem geplanten Zu- oder Wegzug oder einer unentgeltlichen Übertragung der Anteile Rechtsrat in Anspruch genommen werden.
Hintergrund und aktueller Stand
Deutschland ist international für seine restriktiven Wegzugsteuer- und Entstrickungsregelungen bekannt. Da diese Regelungen im Einzelfall zu gravierenden Einschnitten bei den betroffenen Steuerpflichtigen führen können, sind sie immer wieder im Fokus höchstrichterlicher Rechtsprechung. Insbesondere steht stets ein möglicher Verstoß gegen die unionsrechtlich geschützten Grundfreiheiten im Raum.
Die wohl bekannteste Regelung in diesem Zusammenhang ist der § 6 des Außensteuergesetzes („AStG“), die insbesondere bei einem Wegzug ins Ausland eine steuerpflichtige Veräußerung etwaiger Kapitalgesellschaftsanteile fingiert. Der fiktive Veräußerungsgewinn ist dann im Rahmen der Einkommensteuererklärung des Wegzugsjahres zu erfassen.
In der Folge sind stille Reserven zu versteuern, obwohl es tatsächlich zu keinem Liquiditätszufluss kommt (dry income Besteuerung). Das stellt den Steuerpflichtigen regelmäßig vor große Schwierigkeiten bei der Liquiditätsbeschaffung zur Begleichung der Steuer. Voraussetzung für das Eingreifen der Regelung ist, dass es sich um eine qualifizierte Beteiligung von mindestens 1% (zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre) handelt, die Anteile im Privatvermögen gehalten werden und der wegziehende Steuerpflichtige sieben der letzten zwölf Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war.
Nach überwiegend herrschender Auffassung erfasst § 6 AStG jedoch Anteile an (Spezial-)Investmentfonds nicht. Dies gilt selbst dann, wenn der Investmentfonds als Kapitalgesellschaft errichtet wurde (z.B. als luxemburgische SARL oder SA), da das Investmentsteuergesetz (“InvStG“), dem die Investmentfonds unterliegen, ein steuerliches Sonderregime bildet und eigene Regelungen bereithält.
Nunmehr hat der Deutsche Bundestag am 18. Oktober 2024 beschlossen, das InvStG zu ändern und (Spezial-)Investmentfonds ebenfalls einer zum großen Teil an § 6 AStG angelehnten Wegzugsteuer zu unterwerfen. Die gesetzliche Regelung geht auf eine Prüfbitte des Bundesrats zurück (BR-Drs. 369/1/24 vom 17. September 2024), die bereits auf ausdrückliche Zustimmung der Bundesregierung stieß (BT-Drs. 20/13157 vom 2. Oktober 2024). Die Regelung wurde dann durch eine Empfehlung des Finanzausschusses (BT-Drs. 20/13419 vom 16. Oktober 2024) mit Leben gefüllt und in den weiteren Gesetzgebungsprozess integriert.
Vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrats, die spätestens im Dezember erwartet wird, soll die Neuregelung auf Wegzüge ab dem 1. Januar 2025 anwendbar sein.
Die neue Regelung im Detail
Die neue, noch schärfere Wegzugsteuer soll im Wesentlichen den Regelungen des § 6 AStG nachempfunden werden. Der Wegzugsteuer sollen dann auch im Privatvermögen gehaltene Anteile an (Spezial-)Investmentfonds unterfallen und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen Investmentfonds in Form einer Kapitalgesellschaft oder um ein Sondervermögen handelt. Fonds in der Rechtsform einer Personengesellschaft fallen in der Regel nicht unter das Investmentsteuergesetz und damit auch nicht unter die neue Regelung (allerdings können ggf. Entstrickungsregelungen eingreifen).
Unerheblich ist, ob es sich um ausländische oder inländische Investmentfonds handelt und ob die Anteile über ein inländisches oder ausländisches Depot gehalten werden. Erfasst werden sollen nur wesentliche Beteiligungen an Investmentfonds. Dies ist dann der Fall, wenn die Beteiligung am Investmentfonds mindestens 1% beträgt (zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre) oder mindestens 500.000 Euro für die Anschaffung der Investmentanteile aufgewendet wurden. Dabei sollen die Anschaffungskosten mehrerer Fonds nicht zusammengerechnet werden. Anteile an Spezial-Investmentfonds sollen dagegen stets erfasst sein.
Im Übrigen sollen dieselben Voraussetzungen wie in § 6 AStG gelten, sodass grundsätzlich nur solche Steuerpflichtigen erfasst werden, die innerhalb der letzten zwölf Jahre vor Wegzug mindestens sieben Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig waren. Darüber hinaus soll es auch die bekannte Rückkehrregelung und die derzeit existierende Stundungsmöglichkeit (Stundung in sieben bis derzeit maximal zwölf Jahresraten) geben.
Die neue Regelung soll für Wegzüge, unentgeltliche Übertragungen sowie Ausschlüsse und Beschränkungen des deutschen Besteuerungsrechts ab dem 1. Januar 2025 Anwendung finden. Der Zeitpunkt der Anschaffung der Fondsanteile soll insoweit keine Rolle spielen.
Folgerungen für die Praxis
Die Verschärfungen können nur mit Sorge betrachtet werden, zeigen sie doch, dass der Gesetzgeber nun sogar bereit ist, die Wegzugsteuer allein von der Höhe der Investitionsbeträge abhängig zu machen (hier 500.000 Euro). Es ist damit zu befürchten, dass dies als Blaupause für eine generelle Wegzugsteuer auch auf sonstige Beteiligungen unter 1% (z.B. Einzelaktien) oder sogar sonstige Wertpapiere wie Anleihen o.ä. dient.
Abzuwarten bleibt außerdem, wie sich die aktuell zu § 6 AStG geführten Diskussionen (z.B. zur Möglichkeit einer unbefristeten Stundung der Wegzugsteuer nach EU-Vorgaben) auf den neuen Schauplatz übertragen. Sollten Sie derzeit einen Zuzug oder Wegzug planen oder eine unentgeltliche Übertragung etwaiger Anteile erwägen, empfehlen wir zuvor dringend Rechtsrat in Anspruch zu nehmen, um unnötige Risiken zu vermeiden.