Der reservierte alternative Investmentfonds (RAIF) wurde durch das Luxemburger Gesetz vom 23. Juli 2016 über reservierte alternative Investmentfonds als neue aufsichtsrechtliche Kategorie eingeführt. Damit wurde der Luxemburger „Werkzeugkasten“ von verfügbaren Strukturierungsmodellen für Investmentfonds im Bereich alternativer Anlagen um weitere Varianten ergänzt und eine entscheidende Lücke in diesem auf maximale Flexibilität ausgerichteten aufsichtsrechtlichen System geschlossen. Nach nunmehr drei Jahren ist es an der Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen.
Die Zwischenergebnisse sprechen für sich: In den ersten drei Jahren sind knapp 690 RAIFs aufgelegt worden (Stand: 1. Juli 2019), im Schnitt also mehr als vier pro Woche – bei steigender Tendenz. Ein Blick in die offiziellen Statistiken verrät, dass dies vor allem zu Lasten der herkömmlichen aufsichtsrechtlichen Kategorien des spezialisierten Investmentfonds (SIF) und der Risikokapitalinvestmentgesellschaft (SICAR) geht. Beide hatte das RAIF-Gesetz ganz bewusst ins Visier genommen. Ihre Anzahl nahm im selben Zeitraum netto sogar ab. Die Neuauflegungen für 2018 zeichnen ein klares Bild: Der RAIF hat mit über 270 Neuauflegungen den SIF (67) und die SICAR (5) weitgehend marginalisiert.
Vollregulierte Investmentfonds im Bereich alternativer Anlagen (SIF, SICAR und sog. „Teil II-Fonds“ nach Teil II des Luxemburger OGA-Gesetzes von 2010) unterliegen einer eigenen Produktregulierung durch die Luxemburger Aufsichtsbehörde für den Finanzsektor, CSSF. Sie sind schon seit 2013 auf dem Rückzug. Dies hängt maßgeblich mit dem Paradigmenwechsel durch die Umsetzung der AIFM-Richtlinie zusammen. Hierdurch wurde die Auflegung alternativer Investmentfonds entgegen der bisherigen Luxemburger Praxis auch gänzlich ohne eigene Produktregulierung möglich (sog. „unregulierte AIFs“). Unregulierte AIFs unterliegen allein gesellschaftsrechtlichen Vorgaben. Im alternativen Bereich sind dies inzwischen häufig Personengesellschaften (SCS/SCSp). Der RAIF trägt durch seine Zwischenstellung zwischen den unregulierten AIFs und den produktregulierten Strukturen zu diesem Trend bei.
Bedarf für den RAIF – Die entscheidende Lücke wurde geschlossen
Vor Inkrafttreten des Luxemburger AIFM-Umsetzungsgesetzes vom 12. Juli 2013 unterlagen alle Luxemburger Fondstrukturen im Bereich alternativer Investments – übrigens im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern – einer eigenen Produktregulierung. Dies bedeutete spezifische gesetzliche Vorgaben zur (gesellschafts- rechtlichen Struktur, zum zulässigen Anleger, zu den Inhalten der Fondsdokumente, zur Risikostreuung, zu tauglichen Anlagen etc. Die jeweiligen Regime des „Teil II-Fonds“, des „SIF“ (als SICAV-SIF oder FCP-SIF) oder der SICAR sind über die Jahre in der Branche zur Marke geworden. Daneben unterlagen auch die Manager in Luxemburg schon vor 2013 der Genehmigung und Beaufsichtigung durch die CSSF. Effektiv wurde also doppelt reguliert und beaufsichtigt.
2013 wechselte nun auf europäischer Ebene der Regulierungsansatz, weg von der Produktregulierung und hin zu einer umfassenden Managerregulierung. Der „AIFM“ wurde zum Inbegriff des europäisch einheitlich regulierten Managers. Der vom Manager verwaltete alternative Investmentfonds (AIF) unterliegt zwar über Reflexe aus der AIFM-Richtlinie einigen Produktanforderungen. Er wird aber nur indirekt über die Managerregulierung staatlich beaufsichtigt.
In der Umsetzung der AIFM-Richtlinie hat Luxemburg aus Wettbewerbsgründen darauf verzichtet, für jeden AIF auf einer zusätzlichen Produktregulierung zu beharren. Man hat also den neuen AIF die bestehenden Regime nicht verpflichtend „übergestülpt“. Sie bestehen als Variante bis heute fort, aber eben parallel zum unregulierten AIF.
Die Marktteilnehmer haben nur zu gern die neue Gelegenheit genutzt, unregulierte Fondsstrukturen im alternativen Bereich aufzulegen. Sie sparten sich den oft mühsamen, kosten- und zeitintensiven Weg der Genehmigung der Fonds durch die CSSF. Durch die zeitgleiche Reform des Rechts der Kommanditgesellschaften standen außerdem mit der runderneuerten SCS bzw. der neu eingeführten SCSp für Fondsstrukturen endlich taugliche Personengesellschaftsvehikel zur Verfügung. Dies verstärkte den Verdrängungseffekt. Die Qualifikation der Fondsvehikel als (unregulierter) AIF genügt zur europaweiten Anerkennung und zur Erlangung des grenzüberschreitenden Vertriebspasses für den Vertrieb an professionelle Anleger („AIFM-Passport“). In der Folge wurden zwar auch weiterhin SIFs und in sehr geringem Maße auch Teil II-Fonds und SICARs aufgelegt, aber deutlich weniger als zuvor.
In der Rechtsanwendung fielen allerdings auch schnell Defizite des neuen aufsichtsrechtlichen Umfelds auf. Das Gesellschaftsrecht kennt keine Teilfonds (compartments). Ein unregulierter AIF kann daher nicht als sog. Umbrella Fonds mit mehreren Teilfonds aufgelegt werden kann. Darüber hinaus ist es zumindest für Kapitalgesellschaften (typischerweise in Form der Luxemburger Aktiengesellschaft (SA) oder Kommanditgesellschaft auf Aktien (SCA)) nicht möglich, das Gesellschaftskapital variabel zu gestalten. Dies ist beim SIF durch die SICAV-Option und bei der SICAR typischerweise der Fall. Der unregulierte AIF in Form der Kapitalgesellschaft unterliegt nicht dem günstigeren Besteuerungsmodell des SIF bzw. der SICAR. Dazu gibt es im reinen Gesellschaftsrecht keinen Fonds commun de placement (FCP), die Luxemburger Form des Sondervermögens. Es gibt also keinen „unregulierten FCP“. Ein AIF in Form des FCP blieb für alternative Anlageklassen weiterhin nur unter dem SIF-Regime möglich.
So wurde aus dem Finanzmarkt das Projekt eines quasi zwischen den regulierten Produkten und den unregulierten AIFs positionierten besonderen Regimes entwickelt. Es füllt genau diese Lücken und wurde in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen umgesetzt. Auch hier wurden wieder einmal die herausragende Bedeutung der Finanzbranche für das Großherzogtum und die Bereitschaft politischer Entscheidungsträger unter Beweis gestellt, zeitnah marktgerechte Lösungen anzubieten. Der neue reservierte alternative Investmentfonds sollte in kürzester Zeit als „RAIF“ zur Marke werden. Er sollte die Vorteile des unregulierten AIF (keine zusätzliche Aufsichtsebene, Kosten, Time-to-Market) mit denen des SIF bzw. der SICAR (Teilfonds, variables Kapital, Möglichkeit des FCP) verknüpfen. Wie die eingangs erwähnten Statistiken beweisen, scheint dies weitestgehend gelungen zu sein.
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