Das Erfordernis einer individuellen Tatsachenermittlung
Steuerliche Optimierung im Sinne einer Reduzierung der als zu hoch empfundenen individuellen Steuerlast dürfte gemeinhin das bekannteste Ziel einer jeden Gestaltung sein. Was aber genau ist darunter zu verstehen und wie ist auf dem Weg dorthin vorzugehen?
Auf der ersten Stufe ist zunächst eine umfassende Tatsachenermittlung unausweichlich. Ist ermittelt, welche Vermögenswerte überhaupt vorhanden sind – und ob diese wie etwa Kunstgegenstände oder Bargeld beweglich sind oder wie Immobilien einer Veräußerung bedürfen, um gewissermaßen „mobil“ gemacht zu werden –, sind die familiären und beruflichen Verhältnisse zu beleuchten. Gibt es minderjährige Kinder, wohnen Kinder in Deutschland oder im Ausland, liegt eine Patchwork-Situation vor? Von welchem Ort aus findet die Arbeit statt, wo liegt die Betriebsstätte des Arbeitgebers? Ausgehend von dieser Analyse des status quo sollten die privaten wie beruflichen Ziele benannt und gewichtet werden. Allein dieser kleine Überblick möglicher Fragen und die Vielzahl möglicher Antworten verdeutlicht, dass es ein Patentrezept nicht geben kann. Vielmehr muss aus den mühsam gesammelten Erkenntnissen ein Gesamtbild zusammengesetzt werden, das sodann den Ausgangspunkt der rechtlichen Bewertung darstellt.
Diverse Rechtsgebiete sind betroffen
So vielschichtig die Lebenssituationen und ausgehend davon der tatsächliche status quo und die Gestaltungsziele sein können, so mannigfaltig stellen sich auch die rechtlichen Fragestellungen der Beratungspraxis dar. Dass bei angestellten Private Equity Managern das Arbeitsrecht betroffen ist, dürfte ebenso wenig verwundern wie die Relevanz von Erb- und Familienrecht etwa für eine bereits lebzeitige Vermögensnachfolgeplanung. Darüber hinaus ist aber auch an diverse andere Rechtsbereiche zu denken, die sich nicht auf den ersten Blick aufdrängen. Hat der Private Equity Manager Bezug zu mehreren Staaten, kann etwa das Ausländerrecht berührt sein, insbesondere bei Aufenthalten in Nicht-EU-Staaten. Gleiches gilt beispielsweise für das Sozialversicherungsrecht, umso komplexer bei gewöhnlicher Erwerbstätigkeit in mehreren EU-Staaten.
Aufgrund aktueller Entwicklungen soll hier exemplarisch ein Blick auf das Sozialversicherungs- und Erbrecht geworfen werden.
Grenzüberschreitende Vereinfachungen im europäischen Sozialversicherungsrecht
Grundsätzlich geht das Sozialversicherungsrecht in EU-Staaten von der Anwendung der Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates aus, wenn in diesem Wohnmitgliedstaat ein wesentlicher Teil der Arbeitszeit, definiert als mehr als 25%, ausgeübt wird. Die starke Zunahme mobilen – auch grenzüberschreitenden – Arbeitens führt in der Praxis daher regelmäßig dazu, dass der Arbeitgeber Compliance-Aufwand dafür verwenden muss, aus seiner Sicht ausländisches Sozialversicherungsrecht zu prüfen, nämlich das eines fremden Wohnmitgliedsstaates. Aufgrund der Maßgeblichkeit des physischen Arbeitsortes droht in der Praxis ein – mitunter unerwünschter – Wechsel des Sozialversicherungsregimes. Bisher gab es vereinzelt bilaterale Rahmenabkommen zwischen einzelnen Staaten. Seit dem 01.07.2023 steht nun eine multilaterale Rahmenvereinbarung den EU- und EWR-Staaten sowie der Schweiz zur Unterzeichnung offen, die eine Anwendbarkeit des Sozialversicherungsregimes des Arbeitgeberstaates eröffnen kann, soweit die Telearbeit im Wohnstaat mehr als 25%, aber weniger als 50% ausmacht. Zum Start haben 18 Staaten die bilaterale Rahmenvereinbarung umgesetzt. Leider hat das Vereinigte Königreich eine Teilnahme abgelehnt. Eine genau Prüfung, für welche Länder die Vereinbarung in Anspruch genommen werden kann, ist notwendig.
Ordre public-Vorbehalt als Gestaltungsgrenze internationaler Mobilität für Zwecke des Erbrechts
Dem Grunde nach unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO). Eine mögliche Gestaltung durch den Erblasser besteht indes darin, das Recht des Staates zu wählen, dem er entweder zum Zeitpunkt der Rechtswahl oder zum Zeitpunkt seines Todes angehört (Art. 22 Abs. 1 S. 1 EU-ErbVO).
Aus deutscher Erblassersicht kann eine Rechtswahl zugunsten ausländischen Rechts vor allem den Vorteil bieten, das als restriktiv wahrgenommene deutsche Pflichtteilsrecht zu vermeiden. Der BGH hatte nun einen „Dauerbrenner“ der Praxis aufzugreifen, den sog. ordre public-Vorbehalt (Art. 35 EU-ErbVO). Dieser besagt, dass die Anwendung einer Vorschrift des an sich anzuwendenden ausländischen Rechts versagt werden darf, wenn die Anwendung des ausländischen Rechts mit der inländischen öffentlichen Ordnung (ordre public) offensichtlich unvereinbar ist.
Im Juni 2022 hatte der BGH über einen Fall zu entscheiden, in dem ein britischer Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland einen Erben einsetzte und seinen deutschen Adoptivsohn enterbte. Wohnsitz und Nachlasswerte des Erblassers befanden sich seit über 50 Jahren in Deutschland. Der Erblasser wählte das englische Recht, das wie die meisten Erbrechte des Common Law zu keinem Pflichtteilsrecht nach deutschem Verständnis, also einem bedarfsunabhängigen und nach festen Quoten berechneten Anspruch, führt.
Ausgehend von der durch das BVerfG vorgenommenen Einordnung des nationalen Pflichtteilsrechts als Teil der verfassungsrechtlichen Erbrechtsgarantie hat der BGH das Pflichtteilsrecht dem Bestand des deutschen ordre public zugeordnet. Mangels bedarfsunabhängigen und festen quotalen Anspruchs des enterbten deutschen Sohnes nach englischem Recht, hat der BGH einen Verstoß gegen den deutschen ordre public bejaht mit der Folge, dass trotz grundsätzlich wirksamer Rechtswahl des englischen Rechts das deutsche Pflichtteilsrecht – gewissermaßen als Ersatzrecht – anwendbar ist. Eine hinreichende Inlandsbeziehung war durch den Wohnsitz des Erblassers und des enterbten Sohnes in Deutschland sowie den deutschen Nachlass gegeben.
Hieran zeigt sich, welche Hürden bei der grenzüberschreitenden Beratung zu beachten sind. Einerseits ist immer die genaue jeweilige Situation (Wohnsitz, Staatsangehörigkeit, Nachlassbelegenheit, etc.) in den Blick zu nehmen, andererseits ist durch eine Rechtswahl auch nicht immer jedes gewünschte Ergebnis erzielbar.
Deutscher Wohnsitz als Begründung einer unbeschränkten persönlichen Steuerpflicht
Für Irritationen im internationalen Vergleich sorgt oft der Wohnsitz als Begründungsmerkmal einer unbeschränkten persönlichen Steuerpflicht in Deutschland. Während andere Länder mitunter an die Nationalität anknüpfen oder eine gewisse Schwelle an Anwesenheitstagen überschritten sehen wollen, um eine Steuerpflicht zu begründen, genügt in Deutschland schon ein inländischer Wohnsitz im Sinne von dauerhaft zum Wohnen geeigneten Räumlichkeiten, über die die Person jederzeit frei verfügen kann. Wie oft die Person tatsächlich in Deutschland verweilt, ist für den Wohnsitz, der schon für die Begründung der unbeschränkten inländischen Steuerpflicht genügt, irrelevant.
Diese vergleichsweise restriktive Regelung wird in der Praxis vor allem in zwei Fällen relevant: Zum einen, wenn ein ausländischer Staatsangehöriger in Deutschland – mitunter von ihm relativ unbemerkt – einen Wohnsitz und damit eine Steuerpflicht begründet. Zum anderen ist an den Fall zu denken, dass ein Inländer Deutschland verlassen möchte, aber noch ein Quartier in Deutschland beibehält und damit möglicherweise die persönliche Steuerpflicht nicht beendet.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die tiefgreifenden Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzverwaltung, die diese auch regelmäßig nutzt. Denkbar sind dabei etwa Hausdurchsuchungen, Befragung von Hausangestellten, Freunden und Nachbarn, die Beschlagnahme elektronischer Geräte oder die Nachverfolgung von Reisebuchungen, Visa und Zahlungsflüssen auf Bankkonten.
Ein beabsichtigter Wegzug aus Deutschland sollte daher gut geplant und konsequent umgesetzt sein.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Selbst bei tatsächlichem, vollständigem Wegzug greift die sog. erweiterte unbeschränkte Erbschaft-/Schenkungsteuerpflicht, wenn der deutsche Staatsangehörige noch nicht länger als fünf Jahre aus Deutschland verzogen ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. b ErbStG). Der BFH hat diese nachlaufende Steuerpflicht erst jüngst bestätigt und etwa Einwände einer Ungleichbehandlung von deutschen und nichtdeutschen Staatsangehörigen oder einer möglichen Verletzung der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit abgelehnt.
Rückkehr kann sich lohnen!
Denkt man den Wegzug aus Deutschland zu Ende, ist auch die Wegzugsbesteuerung nicht zu unterschlagen. Natürliche Personen, die in den letzten zwölf Jahren mindestens sieben Jahre der unbeschränkten Steuerpflicht unterlagen und aus dem Privatvermögen heraus zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der vergangenen fünf Jahre zu mindestens 1% an einer inländischen Kapitalgesellschaft beteiligt waren, unterliegen im Wegzugsfall grundsätzlich der Wegzugsteuer. In der Folge werden stille Reserven aufgedeckt, es kommt zu einer Besteuerung des Wertzuwachses ohne einen tatsächlichen Realisationsvorgang.
In der Praxis relevant ist vor allem die sog. Rückkehrabsicht: Bei einem Wegzug mit Rückkehrabsicht innerhalb von sieben Jahren ist keine Wegzugsteuer zu entrichten. Aus dieser Rechtsfolge erklärt sich wohl auch, dass die Voraussetzungen, unter denen eine Rückkehrabsicht angenommen wird, sehr umstritten waren. Während die Literatur zugunsten des Steuerpflichtigen allein aus der später tatsächlich erfolgten Rückkehr eine Rückkehrabsicht ableitete, vertrat die Finanzverwaltung die strengere Ansicht, nach der der Wegziehende die Rückkehrabsicht schon im Zeitpunkt des Wegzuges belegen muss. Wie dieser Nachweis im Einzelfall zu erbringen sein kann, ist freilich problematisch.
Begrüßenswerterweise hat der BFH insoweit Ende vergangenen Jahres Klarheit geschaffen und sich im Ergebnis der für den Wegziehenden „günstigen“ Ansicht angeschlossen. Bei tatsächlicher Rückkehr innerhalb von sieben Jahren – im auf § 6 Abs. 3 AStG a.F. beruhenden Urteil noch fünf Jahre – wird die Rückkehrabsicht nunmehr unterstellt. Die Finanzverwaltung hat diese Entscheidung in den Entwurf des AStG-Anwendungserlasses übernommen.
Fazit
Die Beratung grenzüberschreitend mobiler Private Equity Manager beinhaltet eine große Bandbreite rechtlicher und steuerlicher Fragestellungen und ist stark einzelfallabhängig. Durch die zunehmende Mobilität wird auch der Beratungsbedarf immer größer. Zur nachhaltigen Planung und Verhinderung rechtlicher wie steuerlicher Fallstricke empfiehlt sich eine möglichst frühzeitige Analyse und Beratung.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des diesjährigen Munich Private Equity Training (MUPET) und bezieht sich auf einen Workshop zum Thema „Globale Mobilität von Private Equity Managern als Herausforderung für die Gestaltungspraxis“, moderiert von Erik Muscheites (POELLATH).
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