
In einem Praxisworkshop der MUPET 2019 diskutierten Lutz Boxberger (Golding Capital Partners), Jegor Tokarevich (Substance Over Form) und Dr. Jens Steinmüller (P+P Pöllath + Partners) über aktuelle Entwicklungen im Versicherungs- und Investorenaufsichtsrecht. Im Vordergrund standen insbesondere die aktuellen Änderungen bei Solvency II. Schwerpunkte waren neben Eigenmittelanforderungen Aspekte des Risikomanagements und Reportings im Zusammenhang mit Private Equity-Anlagen.
Klarstellung für die Qualifikation als nicht hebelfinanzierter AIF
Im Zusammenhang mit den Eigenmittelanforderungen für Beteiligungen an Private Equity-Fonds kommt nach wie vor der Reduktion des Stressfaktors von grundsätzlich 49 % auf 39 % für nicht hebelfinanzierte AIF (sog. Typ 1-AIF) eine zentrale Bedeutung zu. Nach der jüngsten Änderung der hierfür relevanten Delegierten Verordnung wurde in Bezug auf das Vorliegen einer Hebelfinanzierung ein Gleichlauf mit den für AIFM geltenden investmentrechtlichen Regeln ausdrücklich angeordnet. Für Private Equity-Fonds ist dies im Hinblick auf die Nutzung gebräuchlicher Akquisitions- und Finanzierungsstrukturen bedeutsam. Während dieser Gleichlauf am Markt bisher bereits gelebt wird, traten in der Diskussion auch Aspekte zu Tage, die weiterhin klärungsbedürftig sind, z.B. im Zusammenhang mit (kurzfristigen) Überbrückungsfinanzierungen.
Einführung des Moduls der langfristigen Aktieninvestition
Versicherer haben seit Anfang Juli die Möglichkeit, ihr Aktienportfolio zum Teil als sog. „langfristige Aktieninvestitionen“ mit einem reduzierten Stressfaktor von 22 % zu qualifizieren. Diese Möglichkeit besteht nicht nur bei unmittelbaren Aktieninvestments, sondern auch bei mittelbar über Fonds gehaltenen Anlagen einschließlich Private Equity-Beteiligungen. Das neue Modul stellt nur wenige produktbezogene Anforderungen an einen Fonds, ist dafür aber für die Versicherer selbst herausfordernd. Die entsprechenden Investments müssen etwa in ein Portfolio aufgenommen werden, das im Rahmen eines (im Vergleich zu ursprünglichen Plänen abgemilderten) Sonderverbands getrennt von den anderen Tätigkeiten des Unternehmens verwaltet und organisiert wird. Zudem müssen die internen Prozesse und Strategien beim Versicherer darauf ausgerichtet sein, dass eine sog. Zwangsveräußerung innerhalb der ersten zehn Jahre praktisch ausgeschlossen ist.
Die Anforderungen könnten für deutsche Versicherer derzeitig nur schwer umsetzbar sein. Für Versicherer in anderen Ländern (z.B. Frankreich, Niederlande und Großbritannien), die auch maßgeblicher Treiber dieser Novelle auf EU-Ebene waren, dürfte es aufgrund ihrer Bilanzstruktur hingegen leichter sein, das neue Modul in bestehende Prozesse zu integrieren. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die einschlägigen Regelungen im Sinne einer europaweiten Nutzbarkeit noch überarbeitet werden.
Weiterentwicklung des Look Through-Ansatzes
Der Look Through-Ansatz und seine Handhabung in der Praxis geben Anlass zu anhaltenden Diskussionen. Für das aufsichtsrechtliche Reporting der Säule 3 ist die Durchschau relativ detailliert geregelt. In Bezug auf die Ermittlung der Solvabilitätskapitalanforderung (SCR) in der Säule 1 stellen sich die Regelungen zu einer möglichen Durchschau differenzierter dar. Das Spektrum reicht hier von einer vollständigen Durchschau auf die einzelnen Portfolioanlagen bis hin zur einheitlichen Einordnung einer Beteiligung an einem Fonds in das Untermodul für das Aktienrisiko, wobei hierfür unter bestimmten Voraussetzungen eine privilegierte Behandlung als sog. Typ 1-Aktie mit einem Stressfaktor von 39 % in Betracht kommt. Sofern dennoch eine Durchschau für SCR-Zwecke angewendet werden soll, müssen Aufsicht und Markt erst noch zu einer sachgerechten Praxis zur Umsetzung bei mehrstufigen Strukturen finden, die z.B. die Besonderheiten von Dachfonds berücksichtigen. Die Positionierung des Marktes im Hinblick auf den Grad der Durchschau – auch hinsichtlich der Säule 2 bzw. des Prudent Person Principle – ist noch nicht abgeschlossen.
Fazit
Das für Private Equity-Fondsbeteiligungen relevante Investorenaufsichtsrecht ist nach wie vor im Fluss. Solvency II unterliegende Investoren müssen die weitere regulatorische Entwicklung im Blick behalten. Der Fokus liegt dabei nicht allein bei SCR-Themen. Zunehmend bedeutsam sind Risikomanagement und Reporting. Für das Jahr 2020 ist ein umfassender Review der Solvency II-Richtlinie geplant. Auch ESG-Aspekte dürften im kommenden Jahr eine gewichtige Rolle einnehmen. Generell ist ein Trend hin zu mehr Transparenz bei Fondsstrukturen erkennbar, der für die Praxis weiterhin herausfordernd sein dürfte.
Weitere Beiträge und Videos zur MUPET 2019 finden Sie in unserem MUPET-Archiv.
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Update Investorenaufsichtsrecht – Kapitalanlagerundschreiben und Solvency II