Der Umfang der neuen Offenlegungspflichten richtet sich vor allem nach der jeweiligen internen Strategie in Bezug auf den Umgang mit ESG-Faktoren und teilweise auch nach der Unternehmensgröße des jeweiligen Finanzmarktteilnehmers. Eine zeitnahe Auseinandersetzung mit der Thematik erscheint unabdingbar, um rechtzeitig die offenzulegenden Daten zu ermitteln. Ziel der Offenlegungsverordnung ist es u.a., für sämtliche Finanzmarktteilnehmer umfängliche Transparenzpflichten zu konkreten Nachhaltigkeitsaspekten zu etablieren. Der Kreis der betroffenen „Finanzmarktteilnehmer“ ist in der Offenlegungsverordnung legaldefiniert und erfasst im Bereich des Assetmanagements insbesondere Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM), OGAW-Verwaltungsgesellschaften und Wertpapierfirmen. Soweit es auf deren „Finanzprodukte“ ankommt, sind insbesondere alternative Investmentfonds (AIF), OGAW und Altersvorsorgeprodukte erfasst.
Die Offenlegungsverordnung fordert eine unternehmerische Strategieentscheidung
Im Hinblick auf die verpflichteten Finanzmarktteilnehmer und Finanzprodukte gilt ein Teil der Veröffentlichungspflichten bereits unabhängig von der Berücksichtigung von ESG-Faktoren. So haben alle Finanzmarktteilnehmer Informationen zu ihrer internen Strategie zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungen auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen. Ebenfalls unabhängig von der eigenen Strategie und den Produkten des Finanzmarktteilnehmers ist auf der Internetseite anzugeben, inwieweit die eigene Vergütungspolitik mit der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken in Einklang steht. In vorvertraglichen Informationen müssen sie neben diesen Angaben auch die erwarteten Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken auf die Rendite erläutern bzw. warum sie Nachhaltigkeitsrisiken als nicht relevant erachten.
Darüber hinaus verpflichtet die Offenlegungsverordnung die Finanzmarktteilnehmer allerdings mittelbar, eine unternehmerische (Strategie-)Entscheidung dahingehend zu treffen, ob sie auf Unternehmensebene die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen ihrer Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen oder nicht. Denn je nachdem haben sie entweder Aussagen zu ihrer Strategie in Bezug auf die Wahrung der Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit solchen Auswirkungen abzugeben oder sie müssen sich erklären, warum sie dies nicht tun.
Im letzteren Fall sind auch Angaben zu der Frage zu machen, wie ihre Zukunftsplanung diesbezüglich aussieht. Etwas anderes gilt für Finanzmarktteilnehmer, die im Laufe des Geschäftsjahres durchschnittlich mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen. Diese sind in jedem Fall ab dem 30. Juni 2021 verpflichtet, auf ihrer Internetseite Angaben zu ihren Strategien zur Wahrung der Sorgfaltspflicht im Zusammenhang mit den wichtigsten nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren zu machen.
Außerdem gelten zusätzliche Offenlegungspflichten für Finanzprodukte, bei denen die Berücksichtigung von ökologischen oder sozialen Merkmalen beworben wird oder mit denen sogar eine nachhaltige Investition angestrebt wird. Hierbei sollte beachtet werden, dass bereits die Bezugnahme auf interne ESG-Anlagerichtlinien im Rahmen von Anlegerinformationen (z.B. Verkaufsprospekt) dazu führen kann, dass von einer Bewerbung mit ökologischen oder sozialen Merkmalen auszugehen ist. Auch insofern ist also die strategische Entscheidung zu treffen, ob ein Produkt mit der Berücksichtigung von solchen Merkmalen beworben wird oder nicht bzw. ob sogar eine nachhaltige Investition angestrebt wird.
Die Veröffentlichungen haben grundsätzlich auf der jeweiligen Webseite des Finanzmarktteilnehmers sowie in vorvertraglichen Informationen und in bestimmten Fällen auch in den periodischen Berichten und im Internet zu erfolgen. Zudem ist durch die Verpflichteten sicherzustellen, dass diese Informationen stets auf dem neuesten Stand sind.
Was muss genau wie und wann veröffentlicht werden? Die Details werden momentan noch erarbeitet, wobei mit einer Finalisierung in den nächsten Monaten zu rechnen ist.
Die Offenlegungsverordnung sieht vor, dass die konkreten Einzelheiten der Offenlegungspflichten durch ergänzende technische Regulierungsstandards festgelegt werden. Diese befinden sich gerade in der Entwicklung. Bereits im April 2020 haben die europäischen Aufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities, ESAs) ein entsprechendes Konsultationspapier samt Entwurf einer Verordnung mit einer Vielzahl von Level-2-Maßnahmen veröffentlicht. Die Konsultation endete am 1. September 2020.
Maßgebend für die Bestimmung sollen danach 50 obligatorische Indikatoren sein
Der Entwurf der ESAs enthält unter anderem ein umfangreiches Musterformular für die Darstellung etwaiger nachteiliger Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren. Maßgebend für die Bestimmung des Vorliegens nachteiliger Auswirkungen sollen danach 50 obligatorische Indikatoren sein. Als Kernproblem wird unter anderem in der PE-Fondsbranche die (Nicht-)Verfügbarkeit, Insuffizienz und Unzuverlässigkeit vorhandener ESG-Daten identifiziert.
Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die Konsultation auf die endgültige Fassung der technischen Regulierungsstandards hat. Diese müssen in jedem Fall bis zum 30. Dezember 2020 veröffentlicht werden, was dann folglich zu einer recht kurzen Umsetzungsfrist bis zum 10. März 2021 führt. Insofern kann man Finanzmarktteilnehmern nur ans Herz legen, jetzt tätig zu werden.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen im: Börsen-Zeitung Spezial Investmentfondstage, 21. Oktober 2020
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