Durch Mitteilung vom 17.03.2020 gab die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bekannt, dass an der für Anfang Juli in Berlin angesetzten Versammlung des OECD Inclusive Framework on BEPS weiter festgehalten wird. Die OECD bringt dadurch zum Ausdruck, dass sie weiterhin mit Nachdruck an den akuten Problemfeldern des internationalen Steuerrechts arbeiten möchte. Dieses Statement gibt Anlass, sich mit den Zielen und Aufgaben des BEPS-Projektes sowie den jüngeren Entwicklungen zu beschäftigen.
Anfänge und Ziel des BEPS-Projektes
Das BEPS-Projekt der OECD („Base Erosion and Profit Shifting“) basiert auf einem im Jahre 2013 aufgestellten Aktionsplan der OECD. Anlass für diesen Aktionsplan waren jüngste Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, in denen sich große Unternehmen und Konzerne durch Steuergestaltungen gezielt der Besteuerung in ihrem Ansässigkeitsstaat entzogen und das sie betreffende Besteuerungsrecht auf Niedrig-Steuer-Länder verlagert haben. Ziel des Aktionsplanes und des gesamten BEPS-Projektes ist es, diese Gewinnkürzungen und -verlagerungen allein zum Zwecke der Steuerersparnis zu unterbinden. Hierfür sieht der Plan 15 Aktionspunkte vor, die sich jeweils mit bestimmten Problemfeldern beschäftigen und Lösungen für diese suchen. Dies geschieht in der Regel dadurch, dass Steuergestaltungen analysiert und in der Folge Maßgaben aufgestellt werden, um bestehende gesetzliche Lücken zu schließen und Widersprüche mit Vorschriften anderer Staaten aufzulösen.
Die aktuellen BEPS-Aktionspunkte im Überblick
Im Folgenden sollen nun ausgewählte Aktionspunkte und ihre jüngsten Entwicklungen kurz vorgestellt werden:
- Beginnend mit Aktionspunkt 1 legte man den Fokus auf die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Wirtschaft und damit zwingend notwendige Anpassungen ausgewählter Besteuerungsprinzipien wie bspw. des Betriebsstätten-Begriffs. Im Mai 2019 erarbeitete das Inclusive Framework on BEPS, ein Zusammenschluss aus 137 Staaten (Stand: Dezember 2019), der als oberste Instanz für die Umsetzung des BEPS-Projektes fungiert, ein Arbeitsprogramm aus. Dieses Arbeitsprogramm basiert auf zwei Säulen: Zum einen will man sich auf die Zuweisung von Besteuerungsrechten und die Überprüfung der hierzu bestehenden Regeln konzentrieren, zum anderen soll den einzelnen Jurisdiktionen die Möglichkeit gegeben werden, „Steuernachzahlungen“ zu fordern, soweit andere Staaten ihr Besteuerungsrecht nicht oder in geringerem Umfang ausgeübt haben. Dieses Konzept bildet die Grundlage, auf der das Inclusive Framework eine Einigung mit allen Beteiligen Staaten bis Ende 2020 erreichen möchte. Sollte dies nicht gelingen, hat das Europäische Parlament angekündigt, eine eigene Lösung auf EU-Ebene zu erarbeiten.
- Der zweite Aktionspunkt behandelt den Umgang mit sog. „hybriden Gestaltungen“. Hierunter versteht man grenzüberschreitende Sachverhalte, die aufgrund unterschiedlicher steuerlicher Einordnungen in den betroffenen Staaten zu voneinander abweichenden steuerlichen Ergebnissen führen. Hierzu liegt aktuell ein Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen zur Umsetzung der Anti-Steuervemeidungsrichtlinie vor, der in Form von § 4k EStG insbesondere Einfluss auf die Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs in derartigen Situationen haben soll.
- Mit Aktionspunkt 6 soll der Missbrauch von DBA (Doppelbesteuerungsabkommen) verhindert werden, indem diese bspw. durch eine Änderung der Präambel oder das Einfügen einer Anti-Missbrauchsregelung vereinheitlicht werden. Aus den beiden „Peer Review Reports“ von 2019 und 2020 ergibt sich, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten des Inclusive Framework bereits große Fortschritte bei der Vereinheitlichung der DBA gemacht hat.
- Der Problematik der Verrechnungspreise (Bepreisung von grenzüberschreitenden Leistungen innerhalb eines multinationalen Konzerns) widmen sich die Aktionspunkte 8 bis 10. Seit Februar 2020 sind erstmals Leitlinien zu Verrechnungspreisaspekten von Finanztransaktionen in den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien enthalten, wodurch insbesondere eine einheitliche Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes gefördert und Doppelbesteuerung vermieden werden soll. In diesem Zusammenhang soll durch Aktionspunkt 13 sichergestellt werden, dass die Finanzverwaltungen im Sinne einer zutreffenden Besteuerung die hierfür notwendigen Informationen erhalten. So sollen über das sog. „Country-by-Country Reporting“ (CbCR) die Steuerverwaltungen der betroffenen Länder einen Überblick über die zu besteuernden Erträge eines multinationalen Unternehmens und deren Aufteilung erhalten. Um diese Prozesse zu optimieren, wurde anhand der von den Staaten gesammelten Informationen u.a. eine Sammlung häufig auftretender Fehler bei der Vorbereitung von CbC-Reports im November 2019 veröffentlicht, sodass Unternehmen mögliche Probleme im Vorfeld umgehen können und die Kommunikation mit der Finanzverwaltung vereinfacht wird.
- Ein ebenfalls wichtiger Aspekt innerhalb des gesamten BEPS-Projektes ist die Aufdeckung und Offenlegung aggressiver Steuergestaltungen. So wurde zur Umsetzung des Aktionspunktes 12 am 30.12.2019 ein Gesetz verkündet, mit dem eine Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender (nicht nationaler!) Steuergestaltungen eingeführt wurde.
- Für die Fälle, in denen DBA-bezogene Konflikte zwischen Staaten entstehen, fördert Aktionspunkt 14 die effektive Durchführung von Verständigungsverfahren zur Konfliktbeilegung. Hierzu sind die Staaten in einen zeitlich gestaffelten Review- und Monitoring-Prozess eingebunden (letzte Veröffentlichung am 09.04.2020), in dessen Rahmen sie Daten zu den durchgeführten Verständigungs- und Schiedsverfahren sammeln und diese in Berichten vorlegen. Zur nationalen Umsetzung des Aktionspunktes 14 und der EU-Richtlinie 2017/1852 wurde am 12.12.2019 das Gesetz über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der EU verkündet.
- Ein Aspekt mit Auswirkungen auf die Umsetzung mehrerer anderer Aktionspunkte ist die Einführung des „Multilateralen Instruments“ (MLI; Aktionspunkt 15). Zur Implementierung der BEPS-Maßnahmen in die Doppelbesteuerungsabkommen wurde ein multilateraler Vertrag erarbeitet, der Verhandlungen zwischen den einzelnen Staaten obsolet macht. Zwischenzeitlich haben 94 Staaten (Stand: 13.05.2020) diesen Vertrag unterzeichnet.
Abschließend ist festzustellen, dass sich hinsichtlich der Fortschritte der einzelnen Aktionspunkte mitunter deutliche Unterschiede erkennen lassen. Nichts desto trotz ist bezogen auf das BEPS-Projekt als Ganzes eine konstante Fortentwicklung der Maßnahmen zu erkennen.
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