Am 2. Juni 2015 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) einen Referentenentwurf zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes vorgelegt, mit dem das Gesetz an die Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 angepasst werden soll. Der Entwurf lehnt sich sehr eng an die im Februar 2015 vom BMF vorgelegten Eckwerte an. Dementsprechend fallen die Regelungen für den Steuerpflichtigen wenig positiv aus. Die neuen Regelungen zeichnen sich zudem durch eine selbst für die Erbschaftsteuer bisher nicht gekannte Dimension der Komplexität aus.
Begrüßenswert ist zunächst, dass die vollumfängliche Verschonung von Betriebsvermögen auch zukünftig grundsätzlich möglich sein soll. Doch soll dies uneingeschränkt nur noch für Unternehmenswerte bis zu EUR 20 Mio. gelten.
Zugleich sollen die Anforderungen an das begünstigte Vermögen gravierend verschärft werden. Während es bislang möglich war, nicht betriebsnotwendiges Vermögen (sog. Verwaltungsvermögen) innerhalb des Betriebsvermögens unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls steuerfrei zu übertragen, soll Vermögen zukünftig nur noch verschont werden, sofern es dem „Hauptzweck des Unternehmens“ dient. Es ist schon jetzt erkennbar, dass die von der Finanzverwaltung zu erstellende Einordnung, welche Wirtschaftsgüter betriebsnotwendig sind und welche nicht, sehr streitanfällig sein wird. Es verwundert daher auch nicht, dass die Bundesländer sich in einem Votum klar gegen diesen drohenden Verwaltungsmehraufwand geäußert haben.
Anders als bisher soll die Lohnsummenregel bereits bei drei Arbeitnehmern eingreifen (bisher 20 Arbeitnehmer). Um Unternehmen mit vier bis zehn Arbeitnehmern die notwendige Flexibilität im Hinblick auf einen unkalkulierbaren Wechsel in der Belegschaft zu geben, soll die Mindestlohnsumme bei einer Lohnsummenfrist von fünf Jahren auf 250 % abgesenkt werden, im Falle der Optionsverschonung zu 100 % bei einer Lohnsummenfrist von sieben Jahren auf 500 %.
Ab einem Unternehmenswert von EUR 20 Mio. soll auf Antrag des Erwerbers überprüft werden, ob der Erwerber einer erbschaftsteuerlichen Verschonung überhaupt bedarf. Die Willkür der Grenzziehung von EUR 20 Mio. wird durch den Fallbeileffekt der Freigrenze und die Unsicherheit einer Bewertung von Betriebsvermögen noch verstärkt. So führt das derzeitige Bewertungsrecht dazu, dass die Verschonungsbedarfsprüfung bereits bei der Übertragung von Betrieben mit einem jährlichen Gewinn von rund EUR 1 Mio. Anwendung findet. Bedürftig ist der Erwerber nur dann, wenn er nicht in der Lage ist, die Erbschaftsteuer aus dem miterworbenen Vermögen oder aus seinem bereits vorhandenen Privatvermögen zu zahlen. Dies kann zu Steuersätzen von bis zu 80 % auf miterworbene, nicht begünstigte Vermögenswerte führen, da diese zum einen der Erbschaftsteuer von rund 30 % unterliegen und zum anderen bis zu 50 % für die Erbschaftsteuer auf das begünstigte Vermögen herhalten müssen. In Fällen, in denen dieses Vermögen veräußert werden muss, um die Erbschaftsteuer zahlen zu können, drohen zudem noch massive ertragsteuerliche Folgen.
Alternativ kann der Erwerber ein Abschmelzmodellwählen, was ihm bei größeren Erwerben von über EUR 110 Mio. zumindest noch eine steuerliche Verschonung von mindestens 25 % (bzw. 40 % in der Verschonungsoption) sichert. Für Familienunternehmen, die über typische Verfügungs-, Entnahme- und Abfindungsbeschränkungen verfügen, ist eine Anhebung der Freigrenze auf EUR 40 Mio. möglich. Dies klingt auf den ersten Blick begrüßenswert. Die langen damit einhergehenden Fristen (10 Jahre vorher, 30 Jahre nachher) konterkarieren jedoch die gewollte Erleichterung.
Die geplanten Änderungen sollen mit der Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Ursprünglich war ein Inkrafttreten zum 1. Januar 2016 geplant. Angesichts des erheblichen Widerstands der Bundesländer gegen einzelne Änderungen ist mit einem Inkrafttreten eher in der ersten Jahreshälfte 2016 zu rechnen. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht – mit Ausnahme von exzessiven Gestaltungen (insbesondere Ausnutzen von Kaskadeneffekten) – Vertrauensschutz in die bisherige Rechtslage.
Mit Rücksicht auf den bestehenden Vertrauensschutz sollten insbesondere folgende Übertragungen vor Inkrafttreten der Neuregelung erwogen werden:
- Die Übertragung von Unternehmen/Unternehmensanteilen, deren Wert EUR 20 Mio. übersteigt, wenn entweder der Schenker oder der ausgewählte Beschenkte über weitere signifikante Vermögenswerte verfügt.
Denn derzeit ist das sonstige Vermögen des Schenkers und des Beschenkten ohne Belang. In Zukunft können diese Vermögen bis zur Hälfte herangezogen werden, um die Steuer auf das Betriebsvermögen zu bezahlen.
- Die Übertragung von Unternehmen, die auf unteren Beteiligungsstufen über erhebliches Verwaltungsvermögen (zukünftig: „nicht begünstigtes Vermögen“) verfügen.
Denn dieses Verwaltungsvermögen ist derzeit noch aufgrund der geltenden Quoten für das unschädliche Verwaltungsvermögen von 50 % begünstigt. Zukünftig wird es durch die Einführung der Konzernbetrachtungsweise der Besteuerung unterliegen.
- Die Übertragung von Unternehmen mit mehr als drei und weniger als zwanzig Arbeitnehmern. Denn durch die Senkung der Mindestarbeitnehmeranzahl werden diese Unternehmen erstmalig von der Lohnsummenregelung betroffen. Das Steuerrisiko durch die Lohnsummenregelung trifft insbesondere diese Kleinstbetriebe, da sie konjunkturelle Schwankungen viel schwerer kompensieren können als Großbetriebe.
Der weitere Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens bleibt spannend. In der Vergangenheit war die Erbschaftsteuer oft Spielball der Politik. Während derzeit die Familienunternehmen gegen die geplanten Änderungen Sturm laufen, fordern die linken Parteien eine weitere Verschärfung. Schließlich müsse der Sozialhilfeempfänger auch sein gesamtes Vermögen einsetzen, bevor er Sozialhilfe beziehen kann. Mit diesem Argument lässt sich jede sachliche Auseinandersetzung sowohl mit der Betriebsvermögensbegünstigung als auch mit der wirtschaftlichen Bedeutung der Familienunternehmen in Deutschland im Keim ersticken. Es bleibt zu hoffen, dass die Politik sich von solcher Polemik nicht allzu sehr beeinflussen lässt.