Viele Unternehmen verfügen nicht über eine umfassende Zahlentransparenz. Jedoch ist eine verlässliche Finanzplanung – nicht nur in Krisenzeiten – aus betriebswirtschaftlicher sowie juristischer Sicht eine Kernanforderung.
Grundsätzlich zu unterscheiden ist zwischen der kurzfristigen Liquiditätsplanung inkl. Finanzstatus gemäß IDW S11 (Prüfung der Zahlungsunfähigkeit gemäß §17 InsO) und der mittel- bis langfristig integrierten Finanzplanung. Die Ergebnisse aus beiden bilden auch die Grundlage für Vergleichsrechnungen.
Ein geeignetes Planungsmodell lässt die Betrachtung verschiedener Aggregationsstufen zu und integriert alle Maßnahmen und Optionen. Zentral sind hierbei die inhaltliche sowie zeitliche Präzision sowie die transparente und nachvollziehbar dokumentierte Herleitung der Planungsprämissen und Maßnahmen.
Dies ist die Basis für eine fundierte und gerichtsfeste Liquiditätsplanung. Sie schafft als neutrale Entscheidungsvorlage die Voraussetzungen für die Umsetzung von liquiditätsstärkenden Maßnahmen (Cash-Desk) sowie umsetzungsorientierte und konsensfähige Handlungsoptionen.
Handlungsoptionen zur Krisenbewältigung: Die richtigen Entscheidungs- und Verhandlungsstrategien für eine Sanierung
In der Unternehmenskrise sind die Interessen des Managements, der Kreditgeber sowie der Gesellschafter für die Entscheidungs- und Verhandlungsstrategie in der Sanierung zu berücksichtigen. Die Möglichkeiten und Optionen für eine Sanierung werden im Wesentlichen von der noch zur Verfügung stehenden Liquidität bestimmt. Die gerichtsfeste Liquiditätsplanung gibt u.a. den Zeithorizont bis zu einer Insolvenzantragspflicht vor und schafft Visibilität über die Handlungsoptionen für eine Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens. Die für eine außerinsolvenzliche Sanierung erforderlichen Sanierungsbeiträge der Stakeholder, insbesondere von Banken und Kreditgebern, erfordern regelmäßig die Erstellung eines Sanierungsgutachtens, indem die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens unter Berücksichtigung bestimmter Sanierungsbeiträge attestiert wird. Für die Ausarbeitung und Verhandlung dieser Sanierungsbeiträge muss ausreichend Zeit bleiben, sodass die Erstellung des Gutachtens frühzeitig in Auftrag zu geben ist. Eine Insolvenz lässt sich nachhaltig nur verhindern, wenn die freiwilligen Sanierungsbeiträge ausreichen, das Unternehmen aus der Krise zu holen.
Eine erfolgreiche Sanierung erfordert frühe und konsequente Entscheidungen, insbesondere durch die Gesellschafter. Gleichwohl sollten die Gesellschafter Entscheidungen über die Zuführung von frischem Kapital stets nur auf ausreichend sicherer Informationsgrundlage treffen. Eine zu frühe und unüberlegte Finanzspritze schränkt die weiteren Handlungsoptionen und die Verhandlungsposition der Gesellschafter gegenüber den anderen Stakeholdern ein. Das ist insbesondere dann problematisch, wenn die Sanierungsbeiträge nicht ausreichen, um die Insolvenz zu verhindern. Eine Sanierung über ein Insolvenzverfahren ist für die Gesellschafter zwar die denkbar schlechteste Option. Für die Gesellschafter gibt es im Insolvenzverfahren keine Sicherheit die Gesellschaft zu behalten, selbst wenn sie bereit sind, frisches Geld zu investieren. Das Unternehmen geht im Rahmen des Insolvenzverfahrens an den Meistbietenden, durch den die Gläubiger bestmöglich befriedigt werden. Nur bei guter Vorbereitung des Insolvenzverfahrens z.B. über einen entsprechenden Insolvenzplan, lassen sich die Risiken für die Gesellschafter minimieren. Die Vorbereitung eines Insolvenzverfahrens erfordert allerdings Zeit und finanzielle Mittel. Die Gesellschafter brauchen noch „trockenes Pulver“, das sie nicht bereits vorher in das Unternehmen gesteckt haben dürfen.
Das Management ist in der Krise besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Neben der Bewältigung der operativen und strategischen Probleme darf das Management die besonderen Pflichten beim Agieren im insolvenznahen Bereich nicht aus den Augen verlieren, denn hier droht ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko. Um Überforderung, Stress und Kurzschlussreaktionen vorzubeugen, sollte der Gesellschafter das Management frühzeitig durch kompetente Beratung oder durch die Verbreiterung des Kollegiums (z.B. durch einen CRO) entlasten. Die Auswahl der Berater und des CRO muss in enger Abstimmung mit den Gesellschaftern und Kreditgebern erfolgen, denn ein wesentliches Erfolgskriterium für die Sanierung ist die Verfolgung einer einheitlichen Strategie.
Im Fokus – Der Kreditvertrag
Besonderes Augenmerk erfordert der Kreditvertrag. In einer Krisensituation muss das Management die Position der Gesellschaft gegenüber ihren Kreditgebern prüfen. Insbesondere muss festgestellt werden, ob die Krisensituation bereits einen Kündigungsgrund (Event of Default) oder die Vorstufe zu einem Kündigungsgrund (Default) in bestehenden Kreditverträgen ausgelöst hat, denn beide Ereignisse können sich insbesondere auf die Liquidität der Gesellschaft auswirken. Ein Kündigungsgrund räumt dem Kreditgeber nicht nur das Recht ein, bereits gezogene Darlehen, sondern auch etwaige freie Linien mit sofortiger Wirkung zu kündigen. Ein Kündigungsgrund nimmt der Gesellschaft aber auch das Recht, bestehende revolvierende Ziehungen am Ende der Zinsperiode zu verlängern (Roll Over) und begründet damit die Pflicht zur Rückzahlung ohne Kündigung. Ist ein Margengitter (Margin Grid) vereinbart, erhöht sich die Zinsmarge in der Regel automatisch auf den höchsten Prozentsatz zuzüglich ein oder zwei Prozentpunkte. Darüber hinaus können die genannten Ereignisse dem Kreditgeber aber z.B. auch erweiterte Informationsrechte einräumen und ihm gestatten, die Rechte und Pflichten aus dem Kreditvertrag an einen erweiterten Empfängerkreis zu übertragen (Changes to the Lenders).
Kündigungsgründe können an sehr unterschiedliche Ereignisse anknüpfen und machen eine sorgfältige Prüfung daher unerlässlich. Während ausbleibende Zahlungen (Non Payment), die Verwirklichung eines Insolvenzgrundes (Insolvency) und die Beantragung bzw. Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (Insolvency Proceedings) offensichtlich und sofort zu einem Kündigungsgrund führen, kann der Kreditvertrag für den Fall einer Verletzung eines Financial Covenants ein Heilungsrecht (Equity Cure) vorsehen. Andere Kündigungsgründe, die in einer Krisensituation typischerweise verwirklicht sein können, sind die Verletzung einer Zahlungspflicht aus einem anderen Vertrag (Cross Default), die Aufnahme von Verhandlungen mit anderen Gläubigern zum Zwecke der Umschuldung (Insolvency) unabhängig von der Frage, ob ein Insolvenzgrund tatsächlich bereits eingetreten ist, die Einschränkung des Prüfvermerks (Audit Qualification) und die wesentlich nachteilige Veränderung (Material Adverse Change). Außerdem muss das Management prüfen, ob die wiederholenden Zusicherungen noch uneingeschränkt abgegeben werden können und spezielle Informationspflichten ausgelöst worden sind.
Ist ein Kündigungsgrund eingetreten, wird der Kreditgeber der Gesellschaft dies anzeigen und sich alle Rechte vorbehalten (Reservation of Rights Letter). Allerdings hat der Kreditgeber in aller Regel kein Interesse daran, das Darlehen fällig zu stellen und etwaige Sicherheiten zu verwerten. Der Kreditgeber kann allerdings auch nicht unbesehen Sanierungsbeiträge leisten, ohne sich dadurch der Gefahr der Insolvenzverschleppungshaftung auszusetzen. Hierfür ist vielmehr ein Sanierungsgutachten (IDW S6) erforderlich, aus dem sich die Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft ergibt. In diesem Spannungsfeld kann durch eine Stillhaltevereinbarung (Stand Still) zwischen Gesellschaft und Bank die nötige Zeit gewonnen werden, um ein Sanierungsgutachten einzuholen und ein Sanierungskonzept zu entwickeln.
Im Kern sieht eine Stillhaltevereinbarung vor, dass der Kreditgeber seine fälligen Ansprüche nicht ernsthaft geltend machen wird. Zugunsten der Gesellschaft wird dadurch erreicht, dass diese Ansprüche bei der Frage der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit unberücksichtigt bleiben. Zugunsten des Kreditgebers wird damit erreicht, dass dieser auf seine Ansprüche weder verzichten noch diese stunden muss und damit keine Rechte verliert. Zusätzlich sehen Stillhaltevereinbarungen typischerweise vor, dass der Kreditgeber seine Rechte aus bestimmten Kündigungsgründen (Specified Defaults) nicht geltend macht, und dass die Gesellschaft zusätzliche Auflagen erfüllen muss, z.B. den Nachweis einer bestimmten Mindestliquidität (Cash Minimum Covenant), die Vorlage einer rollierenden 13-Wochen-Planung, die Beauftragung des Sanierungsgutachtens, die Einhaltung eines bestimmten Zeitplans (Milestones) und die regelmäßige Information über den Fortschritt bei der Umsetzung des Sanierungskonzepts. Auch die im Kreditvertrag bereits bestehenden Verbote können verschärft werden, z.B. die Verbote, weitere Finanzverbindlichkeiten aufzunehmen, Sicherheiten zu bestellen oder Akquisitionen vorzunehmen. Wichtig ist, dass der Kreditgeber während der Laufzeit der Stillhaltevereinbarung seine Rechte und Pflichten aus dem Kreditvertrag nicht an Dritte übertragen darf bzw. nur übertragen darf, wenn diese der Stillhaltevereinbarung beitreten.
Die Stillhaltevereinbarung gilt nicht unbegrenzt. Typischerweise endet sie automatisch bei Eintritt der Insolvenz oder bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und kann vom Kreditgeber gekündigt werden, wenn die Gesellschaft ihre Pflichten daraus verletzt, z.B. durch Verletzung der Mindestliquidität oder wenn das Sanierungsgutachten nicht (rechtzeitig) eingeholt wird oder wenn im Kreditvertrag ein Kündigungsgrund eintritt, der nicht Gegenstand der Stillhaltevereinbarung ist.
Zentrale Erfolgsfaktoren
Ein zentraler Erfolgsfaktor in der Sanierung und Restrukturierung ist ein schneller und stabiler Konsens über die ausgewogenen und verursachungsgerechten Beiträge zur Bewältigung der Krise. Vorgelagert ist dabei der Erkenntnisprozess über die tatsächliche wirtschaftliche Position im Rahmen der Restrukturierung und die klare und neutrale Darlegung der rationalen Interessenspositionen der Beteiligten. Hierbei spielen vor allem Vergleichsrechnungen hinsichtlich eines möglichen StaRUG bzw. Insolvenzverfahrens eine wichtige Rolle. Wesentliche Arbeitsschritte sind dabei die Ableitung der Durchfinanzierung im Verfahren, die Ableitung der Werthaltigkeit sowie die Ableitung der Befriedigung von besicherten und unbesicherten Gläubigern. Dies alles stellt hohe Anforderungen an die Validierung der Prämissen und die Form der Darlegung von Szenarien – und bedarf einer unabhängigen Stellungnahme eines interdisziplinären Teams marktakzeptierter Spezialisten mit umfassender Erfahrung in der Restrukturierung, der Finanzierung und der Insolvenz.
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