Im September 2019 hat die deutsche Bundesregierung ihre vielbeachtete „Blockchain-Strategie“ veröffentlicht und darin angekündigt, „das deutsche Recht für elektronische Wertpapiere öffnen“ zu wollen. Das traditionelle deutsche, in Urkunden verkörperte Wertpapier, soll also auch zivilrechtlich entmaterialisiert werden und einer digitalen Schuldverschreibung weichen. Der Frage, wie solche digitalen Schuldverschreibungen im Rahmen der Unternehmensfinanzierung steuerrechtlich zu würdigen sind, geht die aktuelle Schrift des Instituts Finanzen und Steuern unter anderem mit den P+P Pöllath + Partners-Anwälten Dr. Marcus Niermann und Dr. David Hötzel nach. Die Schrift will Wissenschaft und Praxis einen erheblichen Impuls geben, den Dialog mit Politik und Finanzverwaltung über die steuerlichen Implikationen dieser Finanzierungsform von Anfang an intensiv zu führen. Die Autoren besprechen folgende Thesen:
Die Besteuerung digitaler Finanzierungsformen muss in einer liberalen Wirtschaftsverfassung den freien Wettbewerb im Blick haben. Herkömmliche Formen der Eigenkapital- oder Fremdkapitalfinanzierung dürfen gegenüber digitalen Schuldverschreibungen keinen Wettbewerbsvor- oder -nachteil haben (Belastungsneutralität).
Steuerpolitisch darf zudem in unserer global verflochtenen Wirtschaft der Wettbewerb mit anderen Rechtsordnungen nicht übersehen werden. In diesem Wettbewerb sollte das deutsche Steuerrecht mindestens bemüht sein, den ansässigen oder ansiedlungswilligen Unternehmen keinen Anreiz zum Wegzug oder Nichtzuzug aus Steuergründen zu geben (Standortneutralität).
Schließlich sollte das Steuerrecht in Zeiten beschleunigter Digitalisierung neuen Entwicklungen nicht durch Einzelfallregelungen hinterherlaufen, sondern muss bestehende abstrakt-generelle Regelungsregime (lediglich) an erforderlichen Stellen für neue technologische Entwicklungen öffnen (Technologieneutralität).
Ausgerichtet an diesen Grundprinzipien ist festzustellen, dass die Unternehmensfinanzierung durch Tokenemissionen einkommensteuer- und bilanzrechtlich, umsatzsteuerlich aber auch erbschaft- und schenkungsteuerlich viele offene Auslegungs- und Abgrenzungsfragen aufwirft. Ziel muss es sein, die bestehende Rechtsunsicherheit zur Steigerung der Attraktivität einer deutschen Emissionsgesellschaft zeitnah zu beseitigen. Zu beantworten sind vor allem folgende Fragen:
- Wie ist eine Tokenemission in der (Steuer-)Bilanz der Emissionsgesellschaft zu behandeln? Unter welchen Voraussetzungen kommt hier der Ansatz einer Verbindlichkeit oder Rückstellung in Betracht?
- Wie sind Utility Token und Equity Token für Umsatzsteuerzwecke zu behandeln? Kommt für Utility Token bspw. eine Behandlung als Einzweck-Gutschein oder Mehrzweck-Gutschein in Betracht?
- Kommt eine Betriebsvermögensverschonung im zeitlichen Umfeld von Tokenemissionen bei der Erbschaftsteuer in Betracht? Wie ist der erbschaftsteuerliche Finanzmittelbegriff in dem Zusammenhang zu würdigen?
Diesen und weiteren Fragen geht die aktuelle Schrift des Instituts für Finanzen und Steuern (ifst) Nr. 533 Unternehmensfinanzierung durch Ausgabe von Kryptotoken – Besteuerung in Deutschland und in der Schweiz nach. Die komplette Schrift steht hier zum Download zur Verfügung.
Lesen Sie mehr zum Thema:
Steuerpflichten beim Erben von Kryptowährungen
Crypto-Fonds – Strukturen, Aufsichtsrecht und Steuern